Kaum zu glauben: Bereits über 17 Jahre sind vergangen, seit die erste Staffel von «MusicStar» über die Bühne ging. Als strahlende Siegerin ging Carmen Fenk hervor. Wir haben mit der Rheintalerin über ihren Weg seither gesprochen und weshalb sie aktuell so motiviert ist wie schon lange nicht mehr.
21. Februar 2004: Moderator Roman Kilchsperger entrollt mit den Worten «der Schweizer ‹MusicStar› 2004 heisst…» den gelben Zettel und hält ihn in die Kamera. Darauf steht der Name «Carmen» geschrieben. Das Publikum verfällt ihn kollektives heiseres Schreien, auf der Bühne der Maag Musichall fallen sich Mario Pacchioli und Carmen Fenk um den Hals. Letztere ist gerade Siegerin der ersten Staffel von «MusicStar» geworden. Die Castingshow auf SF ist ein Riesenerfolg. Wochenlang fiebert die Schweiz vor dem Fernseher mit ihren Favoritinnen und Favoriten mit. Das Finale verfolgen über 1.5 Millionen Menschen im heimischen Wohnzimmer vor dem TV, dazu werden Public Viewings veranstaltet.
Fenk scheint den Erfolg im ersten Moment noch nicht wirklich begreifen zu können, bleibt sich ihrer Art jedoch auch jetzt treu: Im Anschluss mahnt sie die Medienleute, doch bitte ein Mindestmass an Abstand einzuhalten. Später performt die Rheintalerin für ihre Fans nochmals den Song Ewigi Liebi. Mit diesem konnte sie sich in der Finalsendung gegen ihre letzten verbliebenen Widersacher Mario Pacchioli und Piero Esteriore durchsetzen.
Am nächsten Tag beginnt das Leben auf der Überholspur für die damals 25-Jährige erst richtig. Mit dem Helikopter wird sie in ihr Heimatdorf Sevelen geflogen, wird dort von ihren Eltern und zahlreichen Fans empfangen. Der Sieg bei «MusicStar» bringt ihr nicht nur nationale Bekanntheit ein, sondern auch einen Vertrag bei Universal Music. Sowohl ihre Single In Love With You als auch ihr Debutalbum «Fenkadelic» springen im Frühling 2004 auf Platz eins der Schweizer Hitparade. Für ihre vormalige Tätigkeit als Moderatorin bei Radio Ri bleibt da vorerst keine Zeit mehr.
Teil von «Helvetiarockt»
Nach den anfänglichen Erfolgen wird es jedoch ruhiger um die heute 42-Jährige. Unter anderem kehrt sie zum Radio zurück, arbeitet 15 Jahre lang beim christlichen Radiosender Life Channel, ist dort Moderationsleiterin. Obwohl die Bühnen kleiner werden, bleibt sie der Musik immer treu, veröffentlicht 2015 ihr zweites Album «Eleven» und tritt sowohl solo als auch mit anderen MusikerInnen auf.
Auftritte sind aufgrund der Coronapandemie aktuell zwar keine möglich. Doch ist die Musik nach wie vor Fenks treue Begleiterin. Nicht nur beruflich, sondern auch durch verschiedenste Nebenprojekte. Unter anderem ist sie Teil des Female Producing Circles bei «Helvetiarockt» rund um die Zugerin Muriel Rhyner (Delilahs), die als Leiterin des Female Songwriting Camps und des Producing Circles amtet. Ende Mai und Ende Juni produziert «Helvetiarockt» mit zwei Bands jeweils als Producing Circle in Fenks Projektstudio. Zugerinnen und Zuger dürften Fenks Stimme vor ein paar Wochen noch in einem anderen Zusammenhang gehört haben. So moderierte sie im Februar die erste Ausgabe des Podcasts BeZug, dem neuen Podcast der Stadt Zug.
Wir haben uns mit Carmen Fenk über ihre aktuellen Projekte unterhalten, weshalb sie einen eigenen Podcast lanciert hat und wie sie ihre gemachten «MusicStar»-Erfahrungen nun weitergeben kann.
Carmen Fenk, wie geht es Ihnen?
Es geht mir gut, danke. Ich bin glücklich, denn ich habe mich vor rund einem Jahr dazu entschieden, mich wieder selbstständig zu machen. Dies, nachdem ich Anfang 2019 ein Audio-Engineering-Studium, sprich die Ausbildung zur Tontechnikerin, am SAE Institute in Zürich in Angriff genommen hatte. Während des Studiums steigerte sich meine Begeisterung dafür immer weiter und ich realisierte: Ich möchte als Produzentin mit Bands und MusikerInnen unterwegs sein und an deren Sound mitmodellieren. Klar ist: Einfach ist es in diesem Berufsfeld aufgrund der Coronapandemie aktuell nicht. Doch lohnt es sich manchmal umso mehr, je härter der Weg ist. Ich bereue den Schritt jedenfalls definitiv nicht, auch wenn es finanziell im Moment natürlich nicht einfach ist.
Wie herausfordernd ist es bislang gewesen, Aufträge an Land zu ziehen und wie sehr haben Ihnen dabei die geknüpften Kontakte innerhalb der Musikbranche geholfen?
Es ist nach wie vor ein Reinkommen, denn mein Projekt steckt immer noch in den Kinderschuhen und befindet sich im Aufbau. Den grössten Teil habe ich selbst finanziert und dafür mein Erspartes angezapft. Natürlich hilft das Beziehungsnetzwerk bis zu einem gewissen Grad, doch stösst auch dieses irgendwann an seine Grenzen. Nicht alle aus meinem Umfeld kommen aus der Musikbranche und möchten bei mir produzieren. Aktuell schaue ich mich um, was ich ergänzend dazu als Nebenverdienst arbeiten könnte.
Wie intensiv widmen Sie sich daneben der Produktion eigener Musik?
Seit Beginn des Studiums musste ich meine eigene Musik etwas hintenanstellen. Zumal es sehr zeitaufwendig ist, die KünstlerInnen vom Songwriting bis zum fertigen Song, Album oder Hörspiel zu begleiten und sie zu coachen. Wobei mir dies riesigen Spass macht und mich erfüllt. Doch bin ich natürlich immer noch selbst musikalisch aktiv. So fragten mich im vergangenen Jahr mehrere Restaurants und Bars für Live-Auftritte an, als sie wieder öffnen durften. Die Auftritte waren der Hammer: Ich hatte das Gefühl, die Leute liessen der Musik und den MusikerInnen wieder die Anerkennung zukommen, die Live-Musik verdient. Dies, nachdem in den Jahren davor das Überangebot an Bands und Events dazu führte, dass sich ein Teil des Publikums an den Konzerten vermehrt bevorzugt mit seinen Freunden unterhielt und die Band auf der Bühne eine Nebenrolle spielte. Letzten Sommer hingegen spürte ich dieses tiefe Bedürfnis der Leute nach Live-Musik. Da geht mir jeweils das Herz auf: Diese spontane Gemeinschaft, die sich bildet, KünstlerIn wie Publikum leben dabei im absoluten Jetzt.
Haben Sie aktuell trotzdem eigene musikalische Projekte, an denen Sie arbeiten?
Ich bin in erster Linie wirklich mit Bands und MusikerInnen unterwegs, bei denen ich als Tontechnikerin beteiligt bin. Die Arbeit findet in meinem Projektstudio statt. Dort biete ich Interessierten ein breites Angebot von Demoaufnahmen bis zu grösseren Produktionen an. Ausserdem besteht die Möglichkeit, dass ich die MusikerInnen bereits vor den Aufnahmesessions als Gesangs- und Songwritingcoach begleite. Ich habe allerdings auch schon eigene Aufnahmen produziert. So beispielsweise für meine Abschlussarbeit an der SAE, als ich gemeinsam mit zwei Kommilitonen und fünf MusikerInnen in einem Gemeinschaftsprojekt drei neue Songs komponierte und produzierte. Es war grossartig, wieder einmal selbst kreativ sein zu können. Die Songs werden wir übrigens im Verlaufe des Mais auf Bandcamp veröffentlichen.
Sie haben das Überangebot angesprochen. Kann die Pandemie dabei gewissermassen für eine Gesundung auf dem Eventmarkt sorgen?
Ich glaube schon. Dazu beitragen könnte, dass das Publikum vermutlich anders sein wird als davor. Die Pandemie hat uns nachhaltig verändert und tut dies weiterhin, entsprechend wird der Blick auf gewisse Dinge in Zukunft anders sein.
Inwiefern wird das Publikum anders sein?
Ich hoffe, die Leute werden Live-Musik mit einer Intensität geniessen, wie ich sie vergangenes Jahr bereits erleben durfte. Doch gilt es davor erst die Hürde zu überwinden, dass sich die Menschen überhaupt wieder an Veranstaltungen trauen. Vielleicht haben wir uns bis dann an eine gewisse Passivität und das Leben in den eigenen vier Wänden gewöhnt. Kommt hinzu, dass mittlerweile das Angebot für den Online-Konsum ausgebaut wurde. Ich denke da an das Streaming von Auftritten. Diese Angebote werden nicht so schnell wieder verschwinden. Klar ist: Die Lockerungen für Aufritte werden nicht von 0 auf 100 passieren, weswegen von den Veranstaltern und Musikern Geduld gefragt sein wird, bis die Organisation von Events gerade in finanzieller Hinsicht wieder attraktiv wird.
Auch Sie haben im vergangenen Jahr einige Auftritte von sich aus Ihrem Wohnzimmer gestreamt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Nur Positive. Es tat auch uns Beteiligten selbst sehr gut. Es war jeweils ein sehr schöner Abend, an dem wir uns musikalisch austoben konnten. Und den Leuten gefiel es, da so immerhin ein bisschen Konzertstimmung aufkam.
Sie haben den Begriff «kreativ» erwähnt. Dieser findet bei Ihnen auffallend oft Erwähnung. Was bedeutet für Sie Kreativität und kreativ tätig zu sein?
Es ist Teil meines Wesens, dass ich kreativ bin. In meinem Podcast Café Utopia unterhalte ich mich mit kreativen Menschen. Lange wusste ich von mir selbst nicht, dass ich den Austausch mit anderen kreativen Köpfen als Inspirationsquelle, Motivation und Stütze brauche. Ausserdem ist es unheimlich spannend, zu erfahren, wie andere Menschen mit ihrem kreativen Wesen in sich umgehen und wie sie die kreativen Impulse bekommen und kanalisieren. Es tut mir gut, das Thema Kreativität in meinem Leben genauer anzuschauen und mich darüber auszutauschen. Währenddem ich den Podcast in der Zeit des Studiums etwas vernachlässigte, möchte ich nun wieder regelmässig neue Folgen produzieren.
Woher stammt der Name Café Utopia?
Das Café Utopia ist der gedachte Ort von mir und meiner Kreativität. Ich habe eine genaue Vorstellung davon, wie dieses Café aussieht: Es liegt hinter viel Grün ein wenig versteckt, man bleibt dort gerne etwas länger sitzen, um sich zu unterhalten, es zieht viele ganz unterschiedliche Menschen an. Es handelt sich um einen Ort der Begegnung und der Vergebung. Um einen Ort der Gemeinschaft, wo Kreativität gelebt wird.
Neben Ihrem eigenen Podcast waren Sie im Februar auch als Moderatorin der ersten Ausgabe des Podcasts der Stadt Zug, BeZug, zu hören. Wann werden wir Sie in diesem Rahmen wieder hören?
Am 26. April erschien die zweite Folge mit Raphael Häfliger als Moderator. Da wir uns abwechseln, werde ich entsprechend bei der dritten Folge Ende Juni wieder mit von der Partie sein.
Was macht für Sie den Reiz des Formats Podcast aus?
Im Vergleich zum Radio bekomme ich als Podcast-Hörerin noch schneller einen Bezug zu den MacherInnen und es handelt sich um ein wilderes Format. Da gibt es keine glattgebügelten Sendeformate, sondern darf der Podcast eine gewisse Rohheit behalten. Insbesondere die topproduzierten Hörstücke aus den USA weisen eine unglaublich hohe Qualität auf – von der Geschichte bis zum Sounddesign.
An was für einen Podcast denken Sie dabei zum Beispiel?
Witzigerweise heisst er fast gleich wie meiner: Radio Utopia. Dies ist jedoch dem Zufall geschuldet, da ich diesen noch gar nicht kannte, als ich meinen Podcast ins Leben rief. Ich kann es jedem empfehlen, bei den Hörspielen von Radio Utopia reinzuhören. Klar ist: Diese hohe Qualität muss man sich leisten können. Ich weiss, wie viel Zeit und Manpower eine solche Produktion benötigt. Deswegen finde ich es auch absolut okay, dass sie vor und nach der Episode jeweils Werbung schalten.
Nun zu einem ganz anderen Thema: Sie stammen aus dem St. Galler Rheintal, genauer aus Sevelen, wohnen mittlerweile jedoch im Kanton Zürich. Wie verbunden sind Sie noch mit Ihrer Heimatregion?
Nach wie vor sehr – nur schon deswegen, weil meine Familie immer noch dort lebt. Ich komme immer gerne nach Sevelen zurück und geniesse es jeweils, vom Sevelerberg ins Tal zu blicken. An schönen Tagen reicht die Aussicht fast bis zum Bodensee. Ich habe jedoch auch an meinem jetzigen Wohnort das Privileg, dass ich in unmittelbarer Nähe in die Höhe gehen und dort frische Luft tanken kann. Ich liebe es, mich in der Natur zu bewegen und dabei den Blick in die Ferne schweifen zu lassen.
Wo Sie sich ebenfalls äusserst wohl fühlen, ist auf der Bühne. So auch im Rahmen der ersten Staffel von «MusicStar» vor gut 17 Jahren. Sie gingen dabei im Finale gegen Mario Pacchioli und Piero Esteriore als Siegerin hervor. Die Dimensionen waren unglaublich, Einschaltquoten-Rekorde wurden geknackt, der Rummel war immens. Gibt es auch heute noch Momente, in denen Sie sich daran zurückerinnern und sich denken: «Das war eigentlich total surreal»?
Aktiv denke ich nicht daran zurück. Was mich hingegen überrascht, ist, wie viele Leute mich auf der Strasse immer noch erkennen und mich auf «MusicStar» ansprechen.
Hat Ihnen der Rummel im Nachhinein geholfen, mit allfälliger Nervosität vor Auftritten umzugehen? Im Sinne von «wenn ich dem ‹MusicStar›-Druck standhalten konnte, wird dieser Auftritt sowieso kein Problem sein».
Meiner Meinung nach ist Nervosität grundsätzlich etwas Positives. Während der «MusicStar»-Zeit gab es jedoch tatsächlich einen Moment, als ich unter starker Nervosität litt. Daraus konnte ich im Nachhinein vieles lernen weil ich realisierte, ich darf und muss diese Nervosität hinter der Bühne zulassen. So weiss ich auch, dass ich auf der Bühne anschliessend umso präsenter sein kann. Ausserdem habe ich in dieser Zeit viele Dinge gelernt, die ich nun in meinen Coachings weitergeben kann. Sei dies in Bezug auf die Produktion oder das Auftreten. Es ist mein Ziel, meinen Erfahrungsschatz an andere Künstlerinnen und Künstler weiterzugeben und sie durch einen Produktionsprozess zu begleiten.
Als Preis für Ihren Triumph bei «MusicStar» erhielten Sie einen Plattenvertrag bei Universal. Sowohl Ihr Album «Fenkadelic» als auch Ihre Single In Love With You Again erreichten Platz eins der Schweizer Hitparade. Im Anschluss hat es trotzdem nicht ganz gereicht, um sich im Haifischbecken Musikindustrie zu behaupten. Über alle vier Staffeln hinweg ist Baschi der Einzige, der bis heute regelmässig im medialen Scheinwerferlicht steht. Sind Sie bis zu einem gewissen Grad sogar froh, dass es für den ganz grossen Durchbruch nicht gereicht hat und Sie so keinen Druck von Fans, Plattenlabel und Medien spüren und nicht deren Erwartungen erfüllen müssen?
Ich gelangte an einen entscheidenden Punkt, als ich nach dem ersten Album weitermachen wollte, jedoch meine Plattenfirma anderen Pläne hatte als ich. Ich hätte gerne mir ihr weitergearbeitet, jedoch war mir wichtig, mit meiner Musik weiterzugehen. Im Anschluss verzögerte sich mein nächstes Album, weil ich für sämtliche Kosten selbst aufkommen musste. Ich muss jedoch betonen, dass es für mich absolut stimmt, wie die letzten 17 Jahre verlaufen sind. Ich konnte sehr viele Ziele erreichen, die ich mir vorgenommen hatte. Dies ist für mich mein Erfolg – ohne Rampenlicht. Mein Weg war der gesunde Weg, welchen ich nun mit der Unterstützung anderer Bands und MusikerInnen bei der Produktion fortsetze.
Plus, Sie waren bei Ihrer Musik viel freier, als wenn Sie weiterhin an ein grosses Label gebunden gewesen wären.
Stimmt. Ausserdem musste ich auf diese Weise viele Dinge selbst erleben und gewisse schwierigere Phasen durchschreiten. Davon profitiere ich nun.
Ist es möglich, dass Sie irgendwann wieder einmal ein Soloalbum herausbringen?
Absolut! Oh, und ich habe noch einen Song im Köcher, den ich releasen sollte (lacht). Falls dies zustande kommt, wäre es ein Album, das auf einen längeren Prozess folgt. Ich muss dafür etwas ausholen.
Bitte.
Vor ein paar Jahren gab es eine längere Phase, als es mir wirklich nicht gut ging. Damals entschied ich mich bewusst dazu, mich etwas zurückzuziehen und mich auf jene Dinge zu konzentrieren, die mir damals am wichtigsten waren. Als ich diese Phase überwunden hatte, wollte ich mir etwas Gutes tun und nahm im Anschluss das Tontechnikerstudium in Angriff. Ich wollte etwas haben, an dem ich bedingungslos Freude habe. Das Studium stellte richtiggehend einen Wendepunkt dar. Ich realisierte, wie sehr mir dieses Gebiet liegt und was für ein Potenzial diesbezüglich in mir schlummert. Daraus resultierend, fasste ich vor einem Jahr den Entschluss, den Wechsel als Produzentin in die Musikbranche zu wagen. Auch wenn es wie erwähnt finanziell aktuell natürlich schwierig ist, bereue ich die Entscheidung definitiv nicht, da ich das tun kann, was mir Freude bereitet. Und ich kann diese Freude mit den Bands und MusikerInnen teilen – nach den Aufnahmen laufen wir jeweils mit einem breiten Grinsen aus dem Studio.
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