Wenn die St. Galler Rockband Velvet Two Stripes auftritt, wird es laut, frech und wütend. So auch am 5. November in Zug, wenn sie mit ihrem neuen Album «Sugar Honey Iced Tea» in die Galvanik kommen.
«Wow, das war ziemlich cool für eine Frauenband!» Sprüche wie diesen müssen sich Velvet Two Stripes immer wieder nach Auftritten anhören. Das Trio aus St. Gallen rund um Sängerin und Gitarristin Sophie Diggelmann, Schwester Sara Diggelmann (Gitarre) und Bassistin Franca Mock haben genug von solchen Bemerkungen. Sophie Diggelmann sagt stellvertretend: «Wenn jemand zu uns kommt und sagt, er höre normalerweise nicht solche Musik, doch habe ihm unser Auftritt echt gefallen, ist das erstmal ein schönes Kompliment.» Doch: «Wenn auf die Nachfrage, ob er damit laute Rockmusik meint, die Antwort folgt, ‹nein, Frauenbands›, fasst man sich innerlich echt an den Kopf.»
Sie könne für praktisch jedes Musikgenre zahlreiche erstklassige Frauenbands aufzählen, dies sei doch kein Unterscheidungs- und schon gar kein Qualitätsmerkmal, enerviert sich die Frontfrau. Es sind unter anderem diese zahlreichen kleinen Episoden, die Velvet Two Stripes in ihrem Musikerinnenleben erlebt haben, die sich aufgestaut haben und nun kanalisiert werden müssen.
Studioaufnahmen während des Lockdowns
Und Velvet Two Stripes wären nicht sie selbst, würden sie diese Wut nicht auf energiegeladene, rotzige und vor allem laute Art und Weise verarbeiten, wie seit dem 15. Oktober auf ihrem neuen Album «Sugar Honey Iced Tea» (Eigenvertrieb) zu hören ist. Dieses Bild zieht sich durch die neun Stücke, vom Opener Fever bis zum Closer Wooden Bones. Dieser entstand am Poolbar-Festival im österreichischen Feldkirch.
Generell entstehen die meisten Songs des St. Galler Trios, das live von Schlagzeuger Ramon Wehrle ergänzt wird, auf Tour. Im Studio werden sie dann zur Plattentauglichkeit geschliffen, wobei die Studioaufnahmen für «Sugar Honey Iced Tea» im Frühling 2020 im freiburgischen Belfaux im Studio von Nick Kauffmann ihren Anfang nahmen. Das Studio wurde ab dem 16. März gemietet – just ab jenem Tag, als über die Schweiz der Lockdown verhängt wurde. Velvet Two Stripes konnten sich entsprechend quasi fast vollständig isoliert auf die Aufnahmen konzentrieren. Für die Band keine neue Erfahrung, bereits für ihr Vorgängeralbum «Devil Dance» verschanzten sie sich in Berlin im Studio, tüftelten und probten bis in die Morgenstunden an ihren Songs herum. «Irgendwie scheinen wir diese Abschottung für die Aufnahmen zu brauchen – wobei wir auch nichts anderes kennen», sagt Sara Diggelmann.
Das bislang wütendste und sozialkritischste Album
Herausgekommen ist ein Album, das vielschichtiger und variantenreicher daherkommt als seine Vorgänger, durch den Einsatz von Banjo und Bierorgel werden neue Reize und Akzente gesetzt. Sophie Diggelmann sagt selbst, es sei zudem ihr bislang «wütendstes und sozialkritischstes Album». Als politisch will sie es jedoch nicht bezeichnen, denn wollen sie mit ihrer Botschaft alle erreichen, ob politaffin oder nicht. «Gesellschaftliche Veränderungen müssen immer von unten kommen», sagt sie.
Zur Band Im Jahr davor mehr oder weniger als Schülerinnenband gegründet, brachten Velvet Two Stripes 2012 ihre erste EP «Fire» raus. Bald sorgte die Band für Furore, gerade auch dank ihrer energiegeladenen Live-Performances wurde sie von manchen Medien gar als «coolste Band der Schweiz» bezeichnet. Nach zahlreichen Auftritten, unter anderem an Festivals in Grossbritannien und Schweden, veröffentliche das Trio 2014 sein erstes Album «VTS». Nach der EP «Got Me Good» 2017 folgte 2019 das zweite Album «Devil Dance». Am 15. Oktober nun folgte die dritte LP «Sugar Honey Iced Tea». Getauft wurde die Platte am Tag darauf im Bogen F in Zürich. Aktuell befinden sich Velvet Two Stripes auf Tour, mehr Infos findest du auf ihrer Webseite.
Und Velvet Two Stripes wollen ihren Teil dazu beitragen, Sensibilisierung und Bewusstsein für Sexismus in dieser Branche zu schaffen – etwas, das sie selbst erst lernen mussten. «Zu Beginn unserer Karriere wussten wir es manchmal selbst nicht besser und dachten, die sind schon so lange im Geschäft, die werden es wohl wissen und so läuft es offenbar einfach», erzählt Sophie Diggelmann. Aber mittlerweile seien sie lange genug mit dabei und könnten einschätzen, was okay ist und was nicht.
Scheisse darf man nicht sagen!
Der Albumtitel «Sugar Honey Iced Tea» ist keineswegs zufällig gewählt. «Sugar Honey Iced Tea» ist ein Ausdruck, um auf verblümte Weise «Shit» zu sagen. Und wofür dieses Wort bei Velvet Two Stripes steht, ist kein Geheimnis. Doch: Dafür bekannt, Dinge durch die Blume zu sagen, sind sie eigentlich nicht. «Wir werden die Dinge weiterhin beim Namen nennen. So sind wir einfach», sagt Sara Diggelmann entsprechend.
Letzteres trifft ebenfalls in musikalischer Hinsicht auf Velvet Two Stripes zu. Sara Diggelmann betont denn auch: «So wichtig uns diese Message ist. Natürlich wollen wir nach wie vor in erster Linie dafür wahrgenommen werden, was wir sind: eine laute Rockband.» Umso glücklicher ist das Trio, mit dem neuen Album auf Tour gehen zu können, die sie unter anderem auch nach Deutschland und Belgien führt. Und am Freitag, 5. November, nach Zug in die Galvanik.
Pässeschau für das Albumcover
Dann können sich die Zugerinnen und Zuger gleich selbst ein Bild davon machen, dass der Lockdown zumindest für Velvet Two Stripes auch seine positiven Seiten hatte. «Denn wir konnten uns für die Aufnahmen richtig Zeit nehmen, was man dem Album auch anmerkt», sagt Sophie Diggelmann. Dies gilt übrigens auch für das Cover, welches einen mit den dicken gelben Lettern in die 1970er Jahre zurückversetzt.
Das Trio ist dabei vom schneebedeckten Flüelapass umgeben. «Wir hatten schon länger die Idee, eine rurale Landschaft als Motiv für das Cover zu verwenden. Aufgrund der Pandemie haben wir uns bei der Sujetwahl auf die Schweizer Pässe konzentriert und sind einige von ihnen abgefahren, um zu entscheiden, welcher uns am besten gefällt», verrät Sophie Diggelmann. Ausserdem hat man sich dazu entschieden, auch selbst wieder auf dem Cover abgebildet zu sein, «da dieses Album eine echte Herzensangelegenheit für uns ist und wir viel Herzblut reingesteckt haben».