Grosse Kreativität auf kleinem Raum

Tiny Houses im Trend

Die Bevölkerung wächst stetig und so muss entsprechend neuer Wohnraum geschaffen werden. Oder aber dieser wird effizienter genutzt. Eine Möglichkeit dazu bieten sogenannte Tiny Houses oder Mikro-Apartments. Diese reduzierten Eigenheime gehen nicht automatisch mit einer Einschränkung der Lebensqualität einher – im Gegenteil.

Im Zuge der nachhaltigen Minimalismus-Bewegung wurde die Idee populär, auch die eigene Wohnsituation zu minimieren. Und zwar so weit, bis man auf einer sehr begrenzten Wohnfläche sein Glück findet. Diese Art des Wohnens ist nicht nur umweltschonend und erfreut sich immer grösserer Popularität, sondern kann auch kreativ und gemütlich sein. Vor allem aber ist ein solches Tiny House oder Mikro-Apartment auf die Bedürfnisse seiner Bewohnerschaft abgestimmt. Schliesslich muss der begrenzte Raum zu seinem maximalen Potenzial genutzt werden.

Die Tiny-House-Bewegung hat ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten. Sie appelliert ans Umweltbewusstsein und sagt gleichzeitig Personen mit geringerem Einkommen zu, die über ihre eigenen vier Wände verfügen wollen. Je mehr sich die Situation auf dem Immobilienmarkt anspannt, umso mehr Leute können sich vorstellen, zumindest während den Ferien in einem solchen Häuschen zu wohnen.

Was ein Tiny House ausmacht

Tiny Houses werden in der Regel dadurch definiert, dass sie eine Fläche von bis zu 110 m³ aufweisen, davon eine Nutzfläche zwischen 15 und 45 m². Der geringe Platz schafft zwar viel Raum für Kreativität, ist jedoch mit einigen Herausforderungen verbunden. Während sich Singles auf kleinem Raum öfter wohlfühlen und ihn gut zum eigenen Vorteil gestalten können, haben Familien höhere Platzansprüche an ihren Wohnraum. Schliesslich soll er den Bedürfnissen jedes Familienmitglieds gerecht werden.

Tiny House Schlafzimmer

Je weniger Wände, desto luftiger der Raum. Bild: Facebook Tiny House Living Ph

Doch wie viel Wohnraum eine Familie für sich beansprucht, ist zu einem grossen Teil kulturell bedingt. Eine durchschnittliche Schweizer Familie von vier Personen beansprucht laut Angaben des Bundesamts für Statistik insgesamt 176 m². Familien mit ausländischer Nationalität beanspruchen gemäss Statistik 12 m² an Wohnfläche weniger pro Kopf. Im Vergleich zu einer Familie in Japan, wo das Wohnen auf kleinem Raum zur Kultur gehört, ist das sehr viel Platz. So braucht eine japanische Familie etwa 50 m² an Wohnfläche insgesamt, während ein Singlehaushalt auch mit bis zu 20 m² auskommt. Um dies zu ermöglichen, implementieren die BewohnerInnen solcher Wohnungen und Häuser platzsparende Strategien, um den Wohnraum angenehm zu gestalten und ideal zu nutzen.

Perfekt angepasst

Doch müssen wir nicht bis nach Japan schauen, um uns ein Bild zu machen, was es bedeutet, in einem Tiny House zu leben. So wohnt die 24-jährige Fiona Bayer allein auf kleinem Raum. Sie hat sich ihr Tiny House selbst gebaut, sodass es perfekt ihren Bedürfnissen entspricht. Zurzeit lebt sie in der Region Zürich, wohin sie ihr Haus letztes Jahr transportiert hat. Zu den Vorteilen dieser Wohnform erwähnte sie im Gespräch mit Umweltnetz-Schweiz, dass «man erstens weniger Platz hat, um Sachen auszubreiten». Dadurch bekommt Bayer «Klarheit, Ordnung, Struktur und Schlichtheit», was ihr innere Ruhe gebe.

Um sich ein solches Haus zu organisieren, rät die Studentin, sich der eigenen Prioritäten bewusst zu werden. Das bedeutet in erster Linie, zu erkennen, in welchen Räumen man sich am häufigsten aufhält und auf welche Funktionen der Möbel man nicht verzichten möchte. Zum Beispiel benötigen manche ein eher kleines Bett, dafür aber ein grösseres Sofa zum Entspannen, Lesen, Fernsehen und um sich mit Freunden zu unterhalten. Für andere ist eine grosse Küche wichtig, während sie das Sofa kaum nutzen.

Strategien zum Platz sparen

Ein weiterer Tipp von Bayer ist, darauf zu achten, dass alles im Tiny House mindestens zwei Funktionen hat. Eine Möglichkeit, den eigenen Wohnraum zu minimieren, ist also, eine verschiedenartige Nutzung der Räume zu implementieren. Zum Beispiel kann das Esszimmer zugleich auch als Wohnzimmer dienen. Oder das Büro gleichzeitig auch als Bastelraum und Gästezimmer.

Mehrzweckraum

Mit einem Klapptisch verwandelt sich das Schlafzimmer im Nu in ein Büro. Bild: Instagram sasquatters

Ebenfalls ist genügend Stauraum eins der wichtigsten Kriterien für ein komfortables kleines Häuschen. Dieser ist oft leichter zu finden, als man glaubt. So lässt er sich zum Beispiel unter der Dachschräge organisieren, unter oder gleich im Sofa, in einer Sitzbank oder in einem Regal, das vom Boden bis zur Decke reicht.

Eine platzsparende Strategie aus Japan ist die Implementierung neutraler Räume: Wenn diese nicht genutzt werden, stehen sie fast leer. Nach Bedarf werden sie aber zum Essen, Spielen, Schlafen und mehr kurzfristig umfunktioniert. Dazu werden leicht verschiebbare Möbel und Gegenstände wie Sitzsäcke und Futons unkompliziert aus dem Schrank hervorgeholt.

Komfort kreieren

Das Wohlgefühl im schmucken Zuhause kann und soll unter der minimalistischen Einrichtung aber nicht leiden. So ist es wichtig, dass jede und jeder BewohnerIn einen eigenen Rückzugsort und somit ausreichend Privatsphäre hat. Mit einer gekonnten Raumgestaltung kann auch in den kleinsten Räumen eine angenehme Atmosphäre gefördert werden. Zum Beispiel sorgen natürliche Materialien wie Holz für ein wohliges Heimgefühl.

Tiny House Küche

Wer in der Küche auf Stauraum entlang der Wände setzt, spart an Platz und hat einen guten Überblick über sein Hab und Gut. Bild: Facebook Tiny House 2

Grosse oder zahlreiche Fenster, im besten Fall mit Blick ins Grüne, tragen ebenfalls zum Wohlbefinden bei und vergrössern Räume optisch. Dasselbe gilt für kompakte Lichtquellen wie LED-Panels oder schlichte Lichtgirlanden, die ohne viel Platz zu beanspruchen dunkle Ecken erhellen. Überdies lohnt es sich, darauf zu achten, das ganze Haus farblich und stilistisch einheitlich einzurichten. Wegen der kleinen Räume empfehlen sich vor allem warme Farben und gemütliche Stile wie der skandinavische Hygge, der freisinnige Boho- oder der schlichte Lagom-Style.

Draussen zuhause

Freilich beschränkt sich das Erweitern des Wohnraums nicht nur auf den Innenbereich, sondern trägt auch die clevere Nutzung des Aussenbereichs zu einer Effizienzsteigerung bei. Mit einem gespannten Dach aus Textilien, ein paar Klappstühlen und einem Campingtisch lässt sich zum Beispiel eine Veranda gestalten. Mit einigen (am besten selbstgemachten) Dekorationen wie Girlanden, Kerzen oder Blumentöpfen kann dem Aussenbereich zusätzlicher Charme verliehen werden. Ein solcher Aussenbereich kann einiges zur Lebensqualität beitragen – nicht zuletzt, weil man öfter an die frische Luft geht, wenn man über einen solchen improvisierten Garten verfügt, der auch zur Gesundheit und Entspannung beiträgt. 

Da dieser nicht durch einen Zaun oder sonst wie räumlich von der Aussenwelt abgetrennt ist, ermöglicht er ein Gefühl eines grossen Freiraums, wo man sich austoben kann – sei dies kreativ oder sportlich. Ebenfalls kann dieser Raum genutzt werden, wenn man eine grössere Gruppe von Freunden einladen möchte.

Nachhaltig Platz sparen?

Das Konzept der Tiny Houses ist für viele mit der Vorstellung verbunden, dass der Umzug in solche Häuser dazu beiträgt, die Zersiedelung zu bremsen. Dies entspricht aber nicht den Fakten. Sollte eine grosse Gruppe von Personen plötzlich in einzelne Tiny Houses umziehen, würde dies die beanspruchten Infrastrukturen gar ansteigen lassen. Schliesslich benötigen 30 Tiny Houses mehr Bodenfläche, als wenn die Haushalte in Form von Wohnblöcken aufeinandergestapelt werden.

Effizienter wären folglich Konzepte, welche das Wohnen auf kleinem Raum mit verdichtetem Wohnen verbinden. Erwähnenswerte Wohnkonzepte sind Mikro-Apartments, Cluster-Wohnungen sowie das Hallenwohnen. Unter Letzterem ist eine Gewerbehalle zu verstehen, die zum Lebensraum für eine Gruppe von Personen umfunktioniert wurde. Eine weniger ungewohnte Lösung ist die Cluster-Wohnung. Dabei handelt es sich um mehrere Wohnungen, die sich jeweils eine grosse Küche, einige Gemeinschaftsräume und zum Beispiel einen Garten teilen.

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