Gebäudesanierung mit Weitblick

ETH-Studie für klimafreundliche Renovationsstrategien

Wer heute sein Haus renoviert, plant langfristig und muss je nach Alter des Gebäudes viel investieren. Eine Studie der ETH Zürich wagt einen Blick in die Zukunft und vergleicht, welche Sanierungsmassnahmen am effektivsten für Klima und Geldbeutel sind. Eine Rolle spielen dabei auch Baustoffe aus der Natur.

Die Schweiz hat ein ambitioniertes Ziel: Bis zum Jahr 2050 soll das Netto-Null-Ziel beim CO2-Ausstoss erreicht werden. Einen wichtigen Teil dazu beitragen können Gebäude, die auch vom Bundesamt für Umwelt neben Verkehr und Industrie als einer der Bereiche genannt werden, bei denen die Emissionen umfassend vermindert werden könnten. Erreicht werden kann dies durch energieeffiziente neue Häuser, aber vor allem durch eine energetische Sanierung der bestehenden Gebäude – ob in einzelnen Teilen oder als Gesamtes. Dazu zählen die Bereiche Dach, Dämmung, Fenster, Heizung, Lüftung und Solaranlagen, die einen unterschiedlichen Teil dazu beitragen, dass auf der einen Seite weniger Energie verbraucht wird, aber andererseits auch erneuerbare Energiequellen genutzt werden.

In der Schweiz gibt es fast 1,8 Millionen Wohngebäude und rund eine Million weitere Gebäude. Zusammen beanspruchen sie fast 40 Prozent des nationalen Endenergiebedarfs. Dabei versorgen Öl und Gas in der Schweiz heute immer noch mehr als die Hälfte aller Gebäude mit Energie. Es ist der offensichtlichste Punkt, wenn Menschen an Klimaneutralität und Modernisierung von Häusern denken. Und auch einer der Punkte mit einem grossen Einsparpotenzial für Kosten und CO2-Emissionen. Eine neue Studie der ETH Zürich geht allerdings mehr als nur einen Schritt weiter, wenn es um die zukunftssichere Renovierung von Gebäuden geht.

Die Wärmepumpe ist nur der Anfang

Am Departement Bau, Umwelt und Geomatik der ETH befasst man sich bereits länger mit der Thematik und so ist auch die im März 2024 vorgestellte Studie eine Fortführung von vorangehenden Arbeiten an der Hochschule. Das Ziel: eine nachhaltige Renovierung von Gebäuden unter Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung von Kosten, Klima und Energieversorgung. Dabei ging es um die Einsparung von Energie und die Reduktion von CO2 durch die Modernisierung von Heizsystemen und Gebäudefassaden. Neben dem Einsatz von Wärmepumpen in alten Gebäuden wurde auch die Nutzung von biobasierten Baustoffen wie Stroh und Hanf zur Dämmung untersucht.

Grafik von Haus

Bei der Gebäudesanierung gibt es nicht nur einen Faktor. Bild: zVg

Die Renovierung des Gebäudebestandes betrachtet die Studie dabei als dringend notwendig. «Die Renovierungsrate in der Schweiz liegt bei etwa einem Prozent. Und wir müssten eigentlich mehr tun, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen», sagt Alina Galimshina, ETH-Dozentin und Co-Autorin der Studie. Die ökologische Gebäudeplanung gehört zu ihren Fachgebieten und war auch das Thema ihrer Doktorarbeit an der ETH Zürich.

Schweizer Bauepochen

Für die Studie wurden sechs Gebäude ausgesucht, die mit ihren Baujahren zwischen 1911 und 1988 stellvertretend für die gesamte Schweiz stehen. Anschliessend ging es um die Frage, wie viel C02-Emissionen jeweils durch verschiedene Sanierungsmassnahmen eingespart werden können. Also welchen Effekt etwa der Einbau einer Pelletheizung im Haus aus dem Jahr 1939 hat oder wie viel man einsparen würde, wenn man den Gasboiler im Haus von 1988 lässt, aber dafür die Dämmung durch Bio-Baustoffe wie Strohballen, Hanfmatten oder Hanfbeton ersetzt. Gerechnet wurde das Datenmodell auf 60 Jahre – der festgelegte Standard für die Lebenszeit eines Gebäudes in der Schweiz.

Alina Galimshina, junge Frau mit blonden Haaren

Dr. Alina Galimshina forscht seit 2018 an der ETH Zürich. Bild: zVg

Um die Zukunft möglichst präzise vorherzusagen, braucht es vor allem Daten und noch mehr Daten. Über den Schweizer Wohnungsmarkt, die Bauindustrie, die Energieversorgung und natürlich auch Klimamodelle, in diesem Fall bereitgestellt von Meteo Swiss. «Wir wollten eine breite Abdeckung haben bei den Parametern und zugleich pessimistisch in den Annahmen sein», erklärt Galimshina. Eine umfangreiche Aufgabe, nicht umsonst hat die Risiko- und Ungewissheitsquantifizierung einen eigenen Lehrstuhl an der ETH Zürich.

Ölheizungen auf die Eins

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine deutliche Einsparung bei allen Gebäuden möglich ist – unabhängig von deren Alter. «Heizsysteme haben den grössten Einfluss auf die Effizienz und sollten deshalb bei der Gebäudesanierung zuerst ausgetauscht werden», sagt Galimshina und verweist auf das grosse Einsparpotenzial bei Öl- und Gasheizungen. Zusammen stellen sie heute immer noch einen Grossteil der Energie für die Gebäude in der Schweiz, wobei Öl allein für mehr als die Hälfte der Heizenergie sorgt. Anschliessend könne man sich um die Energieeffizienz der Gebäude kümmern und hier zeigt die Studie, dass man sich zukünftig auf biobasierte Dämmstoffe konzentrieren sollte.

Balkendiagramm

Die Gebäudeverteilung in der Schweiz und ihr Energieverbrauch. Bild: Springer Nature / Departement Bau, Umwelt und Geomatik

Mit den getroffenen Annahmen der WissenschaftlerInnen können laut der Studie bis zu 87 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Gerechnet auf die Lebensdauer gibt es keine renovierungsbedürftigen Gebäude, bei denen sich eine Sanierung in Bezug auf den CO2-Verbrauch nicht lohnen würde. Eine kleine Überraschung, die aus der Studie hervorging, war, dass der Austausch von Fenster aus dieser Perspektive nicht immer sinnvoll ist, weil sich die Investition kaum wieder amortisieren lässt. So haben gerade Fenster mit einer Dreifachverglasung und einem Plastikrahmen in der Herstellung einen grossen CO2-Fussabdruck. Wenn die Fenster also nicht gerade sehr alt und energieineffizient sind, sollte man eher auf einen Ersatz verzichten.

Genug Hanf für alle

Die Sanierung eines Gebäudeteils kann auch den gewünschten Aspekt der CO2-Reduzierung in einem anderen Bereich zunichtemachen. Wenn man eine alte Ölheizung durch eine neue Gasheizung ersetzt, kann sich der positive Effekt für das Klima stark reduzieren, wenn man zugleich auf konventionelle Dämmstoffe wie den Schaumstoff EPS, Glaswolle oder Zellulosefasern setzt. Auch diese verbrauchen in der Herstellung viel Energie und damit CO2. Die Studie lenkt den Fokus deshalb auf Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. Hanf und Stroh sind nicht nur in der Herstellung energieeffizienter, die Pflanzen ziehen in ihrem Wachstum auch zusätzliches Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre und bindet es anschliessend langfristig in den Gebäuden.

Eine mögliche Umstellung der Industrie ist immer mit offenen Fragen verbunden. Im Rahmen einer Aufklärungskampagne rund um die nachwachsenden Baustoffe arbeitet das Forschungsteam aktuell zusätzlich an Diskussionsveranstaltungen, welche sich an Planer, Architektinnen und Experten aus der Baubranche richten. Galimshina verweist darauf, dass die Forschung in Bezug auf Brandschutz und Schimmelentwicklung bereits vorhanden ist. Wenn die biologischen Dämmstoffe richtig installiert werden, können sie genauso wie konventionelle Dämmstoffe eingesetzt werden. «Es gab auch eine Studie, die geklärt hat, ob wir genug Stroh und Hanf für die Gebäudesanierung in Europa haben. Und die Antwort war ja, Stroh ist ein schnell wachsendes Material», so die ETH-Wissenschaftlerin.

Aussenfassade mit Strohdämmung, Gebäudesanierung

Stroh als Dämmstoff im Einsatz bei einem Sanierungsprojekt in Susch GR. Bild: Atelier Schmidt

Es gibt zudem in der Schweiz bereits einige Architekturbüros, die viele Projekte mit Stroh als Baustoff realisiert haben. «Von aussen sieht es gar nicht wie Stroh aus», erklärt Galimshina. Einen Nachteil gegenüber EPS und Co. haben die Biostoffe allerdings doch: die Wärmeleitfähigkeit. «Wir brauchen mehr Platz für diese Materialien», sagt Galimshina weiter. So beträgt die optimale Dicke für eine Dämmung mit Stroh 70 Zentimeter. Eine Platz- und damit auch eine Kostenfrage, die Hausbesitzer und den Gesetzgeber vor neue Herausforderungen stellt. Dabei sind genau die Kosten für viele die treibende Kraft hinter einer Renovierung.

Umdenken bei der Sanierung

«Die Botschaft, die wir überliefern möchten, ist, dass wir bei der Gebäudesanierung mehr über die CO2-Emissionen nachdenken sollten, anstatt den Fokus nur einseitig auf die Energieeffizienz zu legen», erklärt die Forscherin. Die Studie zeigt nämlich, dass sich beides nicht automatisch bedingt. Und auch der Gesetzgeber muss nachbessern, wenn er die hochgesteckten Klimaziele erreichen will. So erfüllt aktuell eine Tiefensanierung ohne den Austausch der fossilen Heizanlage die Vorschriften für die energetische Sanierung – obwohl es auf die Lebensdauer des Gebäudes nicht zu einer Reduktion der Emissionen führt.

Und auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit spielt eine Rolle und wird in der Studie am Rande aufgegriffen. Wer trägt die Kosten für eine aufwendigere Renovierung der Gebäude im Sinne der Klimaneutralität und wer profitiert am Ende von den Einsparungen bei den Betriebskosten? Um das umfangreiche Thema auch in die breite Bevölkerung zu transportieren, arbeitet das Forschungsteam der ETH Zürich derzeit an einem Web-Tool. Dieses soll nicht nur den Effekt der unterschiedlichen Renovierungsmassnahmen nachvollziehbar darstellen, sondern auch aufzeigen, wie viel die ganze Schweiz an Energie und Emissionen einsparen könnte, wenn alle Häuser genau so modernisiert werden würden. Erst die Aufklärung, dann der Wandel.

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