ETH-Start-up geht auf Tauchstation

Tethys Robotics entwickelt Unterwasserdrohne

Rettungseinsätze im Wasser bergen selbst für Spezialisten immer eine gewisse Gefahr. Forschende der ETH Zürich arbeiten deswegen an Tauchrobotern für die Suche und Bergung, die den Tauchenden das Leben erleichtern sollen. Als Tethys Robotics hat man grosse Pläne für die Zukunft unter Wasser.

Jeden Sommer wird der Punkt erreicht, an dem scheinbar sämtliche Medien zeitgleich vor dem gefährlichen Sprung ins kühle Nass warnen. Grosse Hitze, mangelnde Schwimmfähigkeiten oder die Strömung in den grossen Schweizer Flüssen stellen für einige tatsächlich eine tödliche Gefahr dar und füllen nicht nur das Sommerloch der Zeitungen. Mit knapp 60 Ertrunkenen stellte das Jahr 2022 in der Schweiz einen traurigen Rekord auf. Für die Rettung und Bergung stehen zwar ausgebildete Spezialisten parat, aber auch sie kämpfen gegen widrige Umstände wie eben jene Strömung, schlechte Sicht und die schiere Grösse der Unterwassergebiete bei der Suche.

Damit diese in Zukunft einfacher und effektiver gestaltet werden kann und sich auch die Gefahr für die Tauchenden reduziert, arbeiten Forschende der ETH Zürich bereits seit einigen Jahren an einem entsprechenden Tauchroboter. Als Tethys Robotics steht das Zürcher Start-up kurz vor der offiziellen Gründung und führte bereits zahlreiche Testeinsätze mit seinem aktuellen Roboter Proteus durch.

Vom Bastelprojekt zum Meeresgott

Seine Ursprungsform fand das Projekt bereits in der Maturaarbeit des ehemaligen Forschungsmitgliedes Christian Engler. Zum Ende des Bachelorstudiums im Jahr 2019 wurde der Fokus des ehemaligen Bastelprojektes mit der Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb in den USA noch einmal verschärft. «Wir waren damals eine Forschungsgruppe mit acht Personen, davon sind heute noch fünf im Team», erzählt Jonas Wüst, CEO von Tethys Robotics.

Jonas Wüst und Johannes Lienhart im Sommer auf Steg

CEO Jonas Wüst (links) und CTO Johannes Lienhart mit ihrem Roboter in Zürich. Bild: zVg

Der Name des ETH-Spin-offs leitet sich dabei nicht nur von der griechischen Meeresgöttin ab, sondern auch vom gleichnamigen erdhistorischen Ozean, welcher vor Millionen von Jahren auch an die Landmasse der heutigen Schweiz grenzte. Und auch für den aktuellen Roboter Proteus stand ein griechischer Meeresgott Vorbild. Bei der Erkundung der Unterwasserwelt sind sich Wissenschaft und Geschichte also sehr nahe.

Der erste Prototyp von Proteus entstand ab Anfang 2020 aus dem Wettbewerbsprojekt heraus. Dafür mussten dann auch neue Herausforderungen bewältigt werden, da der Einsatz im Thunersee oder in der Reuss sich erheblich von der Pool- beziehungsweise Laborumgebung unterscheidet. «Für die Anwendung in der echten Welt muss man flexibler sein und auch tiefer tauchen können», erklärt Wüst. So wurde nicht nur die Stromversorgung auf Batteriebetrieb umgestellt, sondern auch die Maximaltiefe auf 300 Meter erhöht. Dabei geht es auch um die richtige Konstruktion des Gehäuses, um Strömung und Wasserdruck zu trotzen.

Kraftpaket statt Wasserball

Obwohl die Branche der Tauchdrohnen deutlich kleiner ist als etwa die der Luftdrohnen, stiess Tethys von Anfang an auf grosse Unterstützung aus Industrie und Forschung. «Schon während des Wettbewerbs haben wir mit dem Schweizer Drohnen- und Robotikzentrum zusammengearbeitet», erzählt Wüst. Dadurch entstand auch der frühe Kontakt zum Schweizer Militär und der Polizei. Diese hätten dem Start-up konkrete Anwendungsfälle zur Verfügung gestellt, die die Weiterentwicklung des Roboters massgeblich beeinflusst haben.

Kampftaucher bringen Proteus an Land

Das Schweizer Militär testet Proteus für die Munitionssuche. Bild: zVg

Im November 2020 wurde Proteus dann das erste Mal zu Wasser gelassen. Seitdem gab es drei grosse Iterationen, manche davon sind besser erkennbar als andere. Vor allem die Evolution des Auftriebssystems beeinflusste auch das Aussehen der Tauchdrohne. Mit seinen 40 Kilogramm zählt der Roboter zu den kleineren Vertretern seiner Art. In dieser Industrie werden heute vor allem grosse und schwere Tauchroboter eingesetzt, die mehrere Tonnen wiegen und spezielles Zubehör sowie Personal benötigen. «Wir haben den Anspruch, dass der Roboter mit Zubehör in ein Auto passen und innerhalb von zehn Minuten einsatzbereit sein muss», sagt der Tethys-CEO.

Bei der Bauweise gibt es auf der einen Seite die technischen Limitationen, die eine Mindestgrösse vorgeben, auf der anderen Seite steht der Anwendungsbereich. «Wir spezialisieren uns auch auf Flussanwendungen», erklärt Wüst. Ein noch leichterer Roboter würde zu einem Spielball der Strömung werden. «Es ist ein Abwiegen zwischen der Handlichkeit und wie stabil der Roboter im Wasser liegen soll», so der Ingenieur weiter. Bei den Komponenten der Drohne ist man zudem auf die Zulieferer und ihre Produkte angewiesen – auch wenn die Miniaturisierung der Sensoren immer weiter voranschreitet.

Selbstständiger Sucheinsatz

Einmal zu Wasser gelassen, ist Proteus über ein Glasfaserkabel mit der Kontrollsteuerung verbunden. Dann geht der Roboter selbstständig auf die Suche nach seinem programmierten Ziel. Bei einer Sichtweite von fünf bis zehn Zentimetern, wie etwa in der Reuss, kann er sich nicht auf herkömmliche Kameras zur Orientierung verlassen. Mit einem selbst entwickelten Algorithmus und dem Zusammenspiel der Daten aus seinen akustischen Systemen wie dem Sonar kann der Roboter seine Umgebung in Echtzeit wahrnehmen. Aus 3D-Punkten entsteht so am Ende eine ganze Karte des Einsatzbereichs. Mit seinen Sensoren kann Proteus auch autonom auf ein mögliches Abdriften reagieren. Wenn er sein Bergungsziel schliesslich gefunden hat, übernimmt ein Mensch die Kontrolle der Antriebe und Greifarme für die letzten Schritte der Bergung.

Polizeiboot auf Zürichsee mit Greifarm und Roboter

Eine Demonstrationsübung mit der Polizei auf dem Zürichsee. Bild: zVg

Bei voller Antriebskraft kann die Tauchdrohne 40 Kilogramm vom Boden an die Wasseroberfläche transportieren. Wobei ein erwachsener Mensch im Wasser nur zwischen acht und zwölf Kilogramm wiegt, entscheidend ist zudem auch das Volumen des Körpers. Bei Forschungs- und Vorführeinsätzen mit dem Schweizer Militär und der Genfer Polizei hat sich Proteus bereits im Einsatz bewährt. Und bei Tethys schätzt man die konkreten Anwendungsfälle und das Feedback der Experten. Auch, da der Einsatz von Robotern in Zukunft die Suche und Bergung im Wasser nicht nur erleichtern kann, sondern auch die Gefahr für Spezialtaucherinnen der Einsatzkräfte minimiert.

Neues Jahr, neues Modell

Zu den zahlreichen Unterstützern im Netzwerk von Tethys zählt auch das Wyss Zurich Translational Center, an dem das Start-up seit September arbeitet. Durch diese Verflechtung mit der Stiftung war eine klassische Gründung des Unternehmens bisher noch nicht möglich. Aber bis Ende des Jahres soll auch dieser Schritt vollzogen werden. 2024 soll zudem auch das Team – derzeit bestehend aus neun Mitarbeitenden – um ein paar Angestellte wachsen.

Proteus schwimmt an der Wasseroberfläche

Noch ein letzter Gruss, bevor es auf Tauchstation geht. Bild: zVg

«Wir schauen uns auch andere Märkte und Anwendungsgebiete für unseren Roboter an. Gerade in der industriellen Inspektion gibt es Möglichkeiten, die wir genau unter die Lupe nehmen wollen», sagt Wüst. Ausserdem plant man, Anfang 2024 einen neuen Roboter zu präsentieren. Einen Namen hat der Proteus-Nachfolger noch nicht, aber er soll schon viel näher an dem finalen Produkt sein, welches zukünftig auf dem Markt angeboten werden soll. «Ein bisschen kleiner, ein bisschen aerodynamischer und auch attraktiver im Aussehen», beschreibt Wüst den kommenden Roboter.

Mit einer einstelligen Zahl an Robotern im Einsatz möchte man dann Erfahrungen mit potenziellen Kunden sammeln. Denn je früher diese in den Prozess eingebunden werden, desto mehr Einfluss können sie auf das finale Produkt und seine Anwendungsmöglichkeiten nehmen. Zudem führt man Gespräche mit strategischen Partnern. Ende 2024 soll dann endgültig feststehen, in welche Richtung die Unterwasserreise für Tethys Robotics geht. «Wir haben als Robotik-Start-up in Zürich die idealen Voraussetzungen, um richtig durchzustarten», sagt Wüst.

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