Die Energiewende in der Schweiz schreitet voran. Im Bereich der Solarenergie feierte die Photovoltaik 2020 ein Rekordjahr. Die Branche bietet Potenzial für neue Jobs und verspricht auch in Zukunft Wachstum. Aber reichen die derzeitigen Förderungen für die ambitionierten Klimaziele der Schweiz?
Im vergangenen Jahr schien die Sonne in Zürich im Schnitt 5,6 Stunden pro Tag. Inklusive Regenwolken und den kalten Wintermonaten. Unsere Sonne wird uns auch noch in den nächsten paar Milliarden Jahren mit kostenlosem Licht und Wärme versorgen. Dieses Licht lässt sich in elektrische Energie umwandeln. Bei der Photovoltaik (PV) macht man sich genau dies zunutze. Dabei trifft Sonnenlicht auf die Solarzellen, welche daraus Gleichstrom erzeugen. Dieser wird vor Ort mit einem Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt. Der erzeugte Strom lässt sich dann ins Stromnetz einspeisen oder direkt verbrauchen. Die durchschnittliche Sonneneinstrahlung in der Schweiz liefert dabei sogar bessere Bedingungen für die Photovoltaik als zum Beispiel beim grossen Nachbarn Deutschland.
Eine klimaneutrale Schweiz
Geht es nach der langfristigen Klimastrategie der Schweiz, soll der Netto-CO2-Ausstoss bis 2050 bei null liegen. Damit käme die Schweiz ihren Verpflichtungen aus dem Pariser Übereinkommen nach. In diesem sind die Massnahmen festgelegt, um den globalen Temperaturanstieg auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Der Bundesrat rechnet damit, dass die Schweiz vom Klimawandel besonders stark betroffen sein wird, was den Anstieg der Durchschnittstemperatur betrifft. Neben höheren CO2-Abgaben auf fossile Brennstoffe, muss die Schweiz auch den Abschied von der Atomenergie kompensieren.
PV-Anlagen sind eine Möglichkeit, um diese Lücke zu schliessen. Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften rechnet vor, dass in der Solarbranche das Potenzial für 12’000 neue Stellen schlummert. Davon 2000 für Fachkräfte, welche die Photovoltaikanlagen planen und realisieren könnten. Dafür müsste aber das Tempo beim Ausbau erhöht werden. Der Bund unterstützt den Bau von Solargeneratoren mit Fördergeldern, welche leistungsabhängig fliessen. Die Auszahlung erfolgt dabei aber erst nach der Inbetriebnahme der PV-Anlage.
Rekordwachstum in 2020
Die Anzahl der Photovoltaikanlagen in der Schweiz ist seit 2015 konstant gewachsen. Dies zeigt sich auch in der Leistung. 2019 lieferten die Solarpanels in der Schweiz eine Leistung von fast 2,5 Gigawatt. Für 2020 geht der Branchenverband Swissolar von einem Rekordjahr aus. Auch wenn der finale Bericht erst im Juli veröffentlicht wird, rechnet man mit einem Wachstum von mindestens 30 Prozent. Die neuinstallierten Anlagen kommen dabei auf eine Leistung von 430 bis 460 Megawatt. Der Zugewinn kommt dabei nicht nur von kleineren Anlagen, sondern auch durch grössere mit Leistungen von über 100 Kilowatt zustande.
Die Gründe für das Wachstum sieht der Verband in der Verkürzung der Wartefrist für Fördergelder und die gewachsene Aufmerksamkeit für die Klimakrise. Auch die Coronapandemie könnte Einfluss genommen haben, so Swissolar. Zusätzliche finanzielle Möglichkeiten und der Wunsch nach Autarkie bei der Stromversorgung könnten den Ausschlag zur Realisierung von Photovoltaikanlagen gegeben haben. Um eine tragende Rolle in der Schweizer Energiepolitik zu spielen, reicht das derzeitige Wachstum aber nicht aus, betont Swissolar-Geschäftsleiter David Stickelberger. In einer Mitteilung spricht er von 1500 Megawatt, die zukünftig als jährlichen Zuwachs benötigt werden. Dies entspricht etwa der vierfachen Menge des Jahres 2020.
Das Bundesamt für Energie rechnet für 2050 damit, dass rund 20 Prozent des aktuellen Strombedarfs durch Photovoltaik gedeckt werden. Ein ambitioniertes Ziel, angesichts der tatsächlichen knapp 4 Prozent im Jahr 2019.
Viel Potenzial auf Schweizer Dächern
Das bisher ungenutzte Potenzial der Solarenergie beschäftigt auch die Umweltschutzorganisation WWF. In Zusammenarbeit mit der Plattform Swiss Energy Planning veröffentlichte die NGO im August 2020 einen Bericht, der den Solarausbau in den einzelnen Schweizer Gemeinden analysiert. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Schweiz auf den Dächern nur 3,87 Prozent ihres Potenzials für Solarstrom nutzt. Das sind 0,8 Prozent mehr als in der vorangegangenen Studie von 2017, aber für den WWF deutlich zu wenig.
Myriam Planzer, Projektleiterin Energiewende bei WWF Schweiz, fordert deshalb die Gemeinden zu mehr Mut beim Zubau von Photovoltaik auf. «Wir haben auf den Schweizer Dächern ein noch fast unangetastetes Potenzial, um den Ausstieg aus Erdöl und Erdgas zu ermöglichen. Die guten Resultate einzelner Gemeinden bestätigen, dass es möglich ist, den Zubau der Solaranergie voranzutreiben», äussert sie sich in einer Mitteilung.
Der Leader aus dem Jura
Schweizweiter Spitzenreiter bei den Gemeinden ist Courgenay JU. Es nutzt 23,71 Prozent seines Potenzials für Photovoltaik. Im Kanton Zug befinden sich nur drei Gemeinden unter dem Schweizer Durchschnittswert. Der Zuger Leader ist, wie bereits 2017, die Gemeinde Hünenberg (6,97 Prozent). Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Baar (5,72 Prozent) und Menzingen (5,55 Prozent).
Wenn es um das Ausbautempo der Kantone geht, führt derzeit Neuchâtel vor Luzern und Fribourg. Wenn man die bisherige Ausbaurate beibehält, könnte Neuchâtel schon in 145 Jahren das volle PV-Potenzial ausnutzen, so das kritische Fazit von WWF Schweiz.
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