Wenn der Draht zu den Kindern reisst
Ständig online, immer erreichbar. Es brummt, summt, klingelt und vibriert sogar beim gemeinsamen Abendessen. Das Smartphone geniesst in vielen Familien maximale Aufmerksamkeit. Mütter holen ihre Kinder vom Kindergarten ab und interessieren sich nicht mehr für die Erlebnisse der Kleinen. Stattdessen tippen sie auf ihrem Smartphone bis der Junior Schuhe und Jacke angezogen hat. Fragen wie: „Hattest Du einen schönen Tag? Was hast Du erlebt? Bedrückt Dich etwas?“ kommen zu kurz.
Während das Leben und der Alltag an ihnen vorbeirauschen, checken sie Mails, versenden Emojis und teilen Videos. Handyabhängige Eltern versenden Bilder fremder Kinder und niedlicher Hundewelpen, die mit packender Hintergrundmelodie tiefgründige Videobotschaften verkünden, nur in die Augen ihrer eigenen Kinder sehen sie nicht. Höflichkeit und Respekt gegenüber Kindern geht verloren und wo sollen es die Kleinen nun lernen, wenn nicht von ihren Eltern?
Handys laufen heiss – die Kleinen nebenher
Eine norwegische Studie belegt, dass sich jedes 10. Kind von seinen Eltern aufgrund des Smartphones vernachlässigt fühlt. In Schweden ist es sogar jedes 3. Kind, das sich hinter dem Handy der Eltern anstellen muss. Dabei ist vor allem bei Kleinkindern der Blickkontakt extrem wichtig. Kommunikation – nicht nur mit den Kindern – läuft über Mimik und Gestik.
Auf dem Spielplatz, im Schwimmbad, Zuhause – Erfolgserlebnisse der Kinder werden – wenn überhaupt – nur noch nebenbei wahrgenommen. Stattdessen steht das Liken, Twittern und Chatten an Nummer eins. Mütter und Väter teilen Bilder und ihre Kinder müssen die elterliche Aufmerksamkeit teilen. Eine traurige Entwicklung, die verheerende Folgen haben kann. Experten warnen vor diesem fatalen Trend: Abgesehen davon, dass bei Kleinkindern die Sicherheit des Kindes leidet, kann fehlende Aufmerksamkeit die kindliche Entwicklung massiv beeinträchtigen*: Verzögerte Sprachentwicklung Depressionen, Aggressionen Niederes Selbstwertgefühl / Selbstbewusstsein Bindungsprobleme zu den Eltern
Jugendliche leben Erlebtes nach
Die Spirale dreht sich mit zunehmendem Alter der Kinder immer weiter zu. Was sollen Eltern von ihren Kindern erwarten, wenn sie den Gebrauch des Handys auf diese Weise vorleben? Mit dem Tag, an dem Kinder das erste Smartphone geschenkt bekommen, gewinnt dann auch bei ihnen das Smartphone die Oberhand. Was Eltern allerdings im Umgang mit Smartphones wissen, wissen die Jüngsten noch lange nicht. Sensibilisierung und Aufklärung über die Gefahren und Risiken werden den Kindern viel zu selten mit auf ihren digitalen Weg gegeben.
Darunter leiden einige Jugendliche massiv: Jedes 2. Kind im Alter von 11-14 Jahren lässt sich bei den Hausaufgaben durch sein Handy ablenken. Über 40 % der jungen Erwachsenen geben unüberlegt Daten preis. Die bedrohlichen Folgen: Mobbing, Ausgrenzung, hohe Kosten und Opfer von Happy Slapping Videos (selbstgedrehte Filme, in denen „lustig“ auf anderen Menschen geschlagen wird). Wie kann dieser Trend gestoppt werden?
Eltern – Ansprechpartner und Vorbild
Damit Kinder die Aufmerksamkeit nicht teilen müssen, sollten klare Regeln herrschen. Smartphone, Tablet und Laptop sollen nicht verurteilt werden, schliesslich gehören elektronische Medien zum Alltag dazu. Es ist auch sicher unproblematisch, wenn Eltern telefonieren, während ihr Kind schläft.
Eltern sollten jedoch ganz bewusst täglich das Gespräch mit ihrem Nachwuchs suchen. In dieser Zeit muss das Smartphone tabu sein. Ebenso ist es höflich und kommunikativer, wenn zu Tisch das Smartphone Sendepause hat. Auch im Auto, in Schwimmbädern und auf Spielplätzen, wenn es um die Sicherheit der Kleinsten geht, haben Handys nichts verloren.
Ausserdem sollten Eltern unbedingt umfassende Aufklärungsarbeit im Umgang mit dem Internet und Smartphone leisten, wenn es bei den Heranwachsenden an das erste eigene Gerät geht.
Geheimnis glücklicher Kinder
Kinder nehmen es übrigens wahr, wenn das Handy bewusst überhört und vernachlässigt wird. Es macht sie stark und selbstbewusst. Denn das Ignorieren des Handys beweist: „Ich verbringe gerade Zeit mir Dir, weil Du mir wichtig bist. Du bist für mich die Nummer eins!“ Anrufe und SMS können auch später noch beantwortet werden.