Kürzlich zeichnete die Gemeinde Cham die neuesten «CHAMpion»-PreisträgerInnen mit einem bronzenen Bären aus. Darunter auch Sonja Weber. Anerkennung erhielt sie für ihre Leistungen im Rahmen des Chamer Vogelschutzes. Als Vogeldetektivin mit Fokus auf Mauersegler sorgt sie dafür, dass den Tieren in Cham stets ein Brutplatz zur Verfügung steht.
Es ist 8 Uhr morgens an einem warmen Sommertag. Sonja Weber ist in Cham unterwegs, beobachtet dabei stets den Himmel und hält Ausschau nach Vögeln, insbesondere nach Mauerseglern. Im Gepäck befindet sich ihre Ausrüstung: Feldstecher, Handy, Stift und Klemmbrett. Wir dürfen sie an diesem Mittwochvormittag auf ihrer Tour begleiten. Im Rahmen ihrer Arbeit entdeckt die Chamer Vogeldetektivin möglichst viele Brutplätze, begutachtet Nisthilfen und stellt sicher, dass den Vögeln diese Plätze erhalten bleiben. Den Vogelschutz in der Gemeinde unterstützt sie komplett freiwillig ohne jeden Profit. Für sie ist es eine sehr wichtige und erfüllende Arbeit: «Man sieht, wie viele Flächen heutzutage immer weiter zugepflastert wird, sowohl Böden als auch Dächer. Es ist wichtig, dass die Natur, sei es die Vogel- oder Pflanzenwelt, weiterhin erhalten, gepflegt und ausgedehnt wird. Es kann nicht sein, dass wir Menschen alles einnehmen.»
Anerkennung für ihre Arbeit erhielt Weber kürzlich bei der Chamer Preisverleihung «CHAMpion». Im Rahmen dieser übergibt die Gemeinde jährlich auserwählten Personen, Mannschaften und Organisationen für ihre Leistungen den bronzenen Bären, um ihr Engagement entsprechend zu würdigen. Weber erhielt ihren Bären in der Kategorie «Natur/Umwelt», ein Zeichen dafür, dass Freiwilligenarbeit wie ihre nicht ungeschätzt bleibt. «Für mich ist der Preis eine kleine Anerkennung, die zum Ausdruck bringt, dass Freiwilligenarbeit Anerkennung finden kann und nicht nur einfach so gemacht wird», betont sie.
Detektivin der Natur
Angefangen hat Weber, die in enger Absprache mit der Gemeinde arbeitet, 2018. Dies, nachdem sie sowohl den ornithologischen Grundkurs beim Zuger Vogelschutz als auch den anderthalbjährigen Feldornithologiekurs abgeschlossen hatte. Dazumal fragte die Gemeinde beim kantonalen Vogelschutz wegen einer in Cham lebenden Person zur Prüfung des Gebäudebrüterinventars an. Weber kam diese Möglichkeit gelegen: «Nach dem Feldornithologiekurs dachte ich: Jetzt muss ich irgendetwas Praktisches machen, nicht nur Theorie.» Sie wollte aktiv helfen, erhielt die Stelle und tut dies entsprechend seither auch. Mit der Bereichsleiterin Umwelt der Gemeinde, Manuela Hotz, welche Weber dieses Jahr für den «CHAMpion» nominierte, habe sie sich vom ersten Moment an bestens verstanden.
Seit mittlerweile fünf Jahren betätigt sich Weber enthusiastisch als Vogeldetektivin für mehrere Vogelarten, aber insbesondere für den Mauersegler. Für sie heisst das, morgens und gelegentlich abends Ausschau nach ihnen zu halten und wenn welche zugegen sind, herauszufinden versuchen, wo ihre Nistplätze sind. Hierfür setzt sie sich morgens auf ihr Fahrrad, erkundet Ausschau haltend die Gegend und schaut genauer, wo die Vögel sich aufhalten und zu ihren Brutplätzen hinunterstechen. «Teilweise muss man wirklich mit dem Kopf in der Luft unterwegs sein», so Weber. Es geht vor allem darum, die Mauersegler zu beobachten und dadurch herauszufinden, wo genau sie ihre Brutplätze haben.
Fliegen Segler stets um ein Gebäude herum, lässt sich dieses im Gebäudeinventar als Verdachtsgebäude notieren. Stechen welche an bestimmten Stellen rein, ist bereits klar, dass sich dort höchstwahrscheinlich ein Brutplatz befindet, der vollständig ins Inventar aufgenommen werden kann. Einen solchen ausfindig zu machen, benötigt besonders viel Geduld und ein gutes Timing. Üblicherweise wartet Weber zwischen 15 und 30 Minuten an einer Stelle, um möglichst nichts zu verpassen. «Es geht darum, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein», meint sie dazu. «Es ist eine Geduldsarbeit, wie man so schön sagt.» Dies zeigte sich beispielsweise bei unserer gemeinsamen Tour an der Johannisstrasse, welche trotz einiger Vogelaktivität in der Luft fünf Minuten später komplett vogelfrei zu sein schien.
Brutzeit für Mauersegler
Teilweise gibt es sogar mehrere Brutplätze sehr nahe beieinander, denn Mauersegler sind Koloniebrüter und schätzen daher die Nähe zu anderen Seglerfamilien. Diese Tatsache macht sich der Vogelschutz zunutze: Mit Locksets, welche Mauerseglergeräusche aus dem Lautsprecher ertönen lassen, wird den Tieren an gezielten Stellen und Nisthilfen das Signal gegeben, dass sich dort bereits eine Kolonie befindet, wodurch sie dazu bewegt werden sollen, diesen Ort als Brutplatz zu verwenden. Ist ein solcher Brutplatz entdeckt, bestätigt und ins Inventar aufgenommen, stehen die eingenisteten Vögel unter gesetzlichem Schutz.
Soll ein Haus mit bestätigten Brutplätzen renoviert oder saniert werden, müssen diese dabei erhalten und während der Brutzeit Notkästen angebaut werden, die den Vögeln in der Zwischenzeit als Nisthilfe dienen können. Wird ihnen der Weg zum Brutplatz versperrt, führt dies zu Problemen, denn die Vögel suchen den Eingang im kommenden Jahr wieder an genau derselben Stelle, an dem dieser zuvor war. «Wenn sie nicht reinkommen, probieren sie das noch unzählige Male, bis sie wegfliegen und sich vielleicht einen anderen Standort suchen. Je nachdem brüten sie dann auch gar nicht, was schade ist», so Weber.
Schlafend durch den Flug
Um sicherzustellen, dass möglichst wenige Brutplätze verloren gehen, engagiert sich die Gemeinde umfassend. Erhält sie ein Baugesuch, kontrolliert sie das Gebäudebrüterinventar nach bekannten Brutplätzen und bestehen diese, müssen sie bei den Bauarbeiten berücksichtigt werden und weiterhin erhalten bleiben. Bei Verdachtsgebäuden gilt die gleiche Regel: Dafür wird Sonja Weber beauftragt, sich vor Ort ein Bild zu machen. Je nachdem kann sie die Existenz dieser Brutplätze entweder bestätigen oder verneinen, in welchem Fall sie nicht weiter berücksichtigt werden müssen.
Weber ist hierbei besonders vorsichtig, damit nichts vergessen geht: «Ich schaue mir oft eigenhändig die publizierten Baugesuche an.» Möchte ein Bauherr sich aktiv für den Vogelschutz einsetzen, lohnt es sich zudem, diesen bereits bei der Planung eines Hauses umzusetzen. Während der Bauphase sei der Aufwand für notwendige Anpassungen viel geringer als im Nachhinein, wenn solche Änderungen teils gar nicht mehr oder nur sehr schwer durchgeführt werden können.
Beitragen kann jeder
Generell sollten Bauarbeiten möglichst nicht während der Brutzeit durchgeführt werden, die sich auf die Wochen von April bis Mitte Juli konzentriert. In dieser Zeit kann erwartet werden, dass die Mauersegler, sollten sie nicht bereits einen haben, sich einen Partner suchen und ihre Eier legen. Ab da dauert die Brut selbst bis zu vier Wochen. Den Rest des Jahres verbringen die Gebäudebrüter entweder in Afrika oder auf dem Weg dorthin respektive zurück. Ausserhalb von Brutangelegenheiten fasziniert der Mauersegler dadurch, dass er sein Leben generell immer im Flug verbringt: «Sie sind immer in der Luft. Sie schlafen in der Luft, sie essen in der Luft, sie paaren sich in der Luft. Sie setzen sich wirklich nur zum Brüten in ihr Nest», erklärt die Vogeldetektivin. Wie genau der Schlaf in der Luft funktioniert, sei nicht bekannt. Allerdings wird vermutet, dass dabei eine Gehirnhälfte schläft, während die andere den Flug steuert.
Wer in Cham wohnt und selber zum Vogelschutz beitragen möchte, meldet sich dafür idealerweise bei der Gemeinde und klärt die nächsten Schritte ab. Generelle Tipps und Tricks gibt es keine, da alles vor Ort individuell auf das jeweilige Haus abgestimmt werden muss. Sollte ein Bewohner oder eine Bewohnerin bei sich Mauersegler entdecken, kann dies ebenfalls der Gemeinde telefonisch oder per Meldeformular online mitgeteilt werden. Wer sich wundert, ob bei ihm vielleicht bereits Brutplätze entdeckt wurden, findet das bestehende Gebäudebrüterinventar ebenfalls online. Sonja Weber ist dankbar für jeden Beitrag zum Naturschutz, nicht nur, was Vögel anbelangt: «Ich finde es wirklich wichtig, dass jeder und jede etwas für die Natur macht, denn wenn sie weg ist, ist sie weg. Selbst auf kleinem Raum kann so viel bewirkt werden.»