Das Sogar Theater Zürich präsentiert dem Publikum im März eine Geschichte, die drei Generationen umspannt. Mutter, Tochter und Enkelin reden über ihre Erfahrungen, die sie mit der Schweiz und der Türkei verbinden.
Das Sogar Theater im Zürcher Kreis 5 führt dieser Tage eines seiner zeitgenössischen Stücke auf. Wiederum geht es dabei um Text und Sprache ohne Bühnenbild. Diesmal liegt ein Familienfotoalbum auf dem Wohnzimmertisch auf der Bühne. Um den Tisch herum haben sich drei Frauen zum Nachmittagstee versammelt und unterhalten sich über das Fotoalbum. Es sind Mutter, Tochter und Enkelin, drei Generationen einer Einwandererfamilie aus der Türkei. Die Darstellerinnen sind Eleni Haupt, Beren Tuna und Monika Varga. Sie alle sind Preisträgerinnen und interessieren sich für das Thema Migrationserfahrung.
Ursina Greuel hat das Stück «Und dann fing das Leben an / ve sonra hayat başladı» in Zusammenarbeit mit der Schweizer Fotografin Ayse Yavas geschrieben. Es basiert auf Interviews, die die Fotografin in der Schweiz gesammelt hat. Yavas selbst ist die dritte Generation einer Familie, die in den 1960er Jahren in die Schweiz kam. Gemeinsam mit der Ethnologin Gaby Fierz interviewte sie Verwandte und Bekannte aus drei Generationen, die in Windisch, Brugg und Baden, sowie in der Türkei in Anadolu Hisarı und Doğancılı leben.
Die im Interviewmaterial enthaltenen Geschichten wurden aus dem persönlichen Umfeld von Yavas herausgelöst, um die Universalität der Erfahrungen zu vermitteln. Es geht also nicht darum, fremde Biografien zu präsentieren. Die Erzählungen bleiben dennoch persönlich und authentisch, werden aber nicht einer bestimmten Familie zugeordnet. Im Anschluss an die ersten Aufführungen im Sogar Theater wird am 16. März im Stadtmuseum Aarau eine Ausstellung mit Fotos von Ayse Yavas und Gaby Fierz eröffnet.
Universale Erfahrungen
Das Gespräch auf der Bühne des Theaters und die Fotoausstellung in Aarau vermitteln uns eine Erfahrung, die in unserer Zeit intensiver erlebt wird als in früheren Epochen und zu einer anthropologischen Konstante geworden ist: Die Migration, die nicht nur die Bewegung von einem Land in ein anderes ist, sondern auch eine Erfahrung, die unsere Gefühle und Erlebnisse prägt, individuell und universell. Die Frauen auf der Bühne sprechen nicht über ihre «Wurzeln», nach denen hierzulande üblicherweise gefragt wird, sondern über eine menschliche Erfahrung, die sich nicht wie Pflanzen durch «Wurzeln» mit einem Stück Erde verbindet. Die emotionalen Bindungen und gemeinsamen Erinnerungen, die im Zusammenhang mit beiden Ländern stehen, werden in einem Gespräch über ein Fotoalbum vermittelt, das Menschen zeigt, die Teil der Migrationserfahrung sind, aber üblicherweise nicht zu Wort kommen. Sie spielen eine Rolle als AkteurInnen in dem Geschehen, das durch den Dialog der drei Frauen vermittelt wird.
Die Premiere von «Und dann fing das Leben an / ve sonra hayat başladı» im ausverkauften Sogar Theater an der Josefstrasse 106 in Zürich fand am 3. März statt. Für die weiteren Aufführungen, die am 6., 9., 10. und 12. März um 17 Uhr respektive 19 Uhr stattfinden, sind noch Karten erhältlich. Sie können telefonisch unter 044 271 50 71 oder auf der Website vom Sogar – das literarische Theater gekauft werden. Die Abendkasse und die Bar öffnen jeweils eine Stunde vor Beginn der Vorstellung.