Vorwiegend von jungen Stadtbewohnern genutzt, sind die verleihbaren E-Scooter der neueste Verkehrszuwachs. Ursprünglich für ökologisch sinnvoll gehalten, stossen die Trottinette mittlerweile auf Ablehnung. Zurecht?
Ein Angebot an ausleihbaren E-Scootern gehört mittlerweile für viele junge Leute zu einer modernen Stadt dazu. Die öffentlichen E-Scooter sind in Grossstädten wie Paris, Kopenhagen, Lissabon und San Francisco inzwischen selbstverständlich. Dabei werden sie über ein Free-Floating-System verliehen. Das bedeutet, dass der Anbieter die E-Scooter auf öffentlichen Flächen verteilt. Die Nutzer können die Trottis mit einer App auf dem Handy entsperren und gegen Gebühr nutzen. Am Ziel angekommen, muss der Scooter an keinem spezifischen Ort versorgt werden. Ist das Trottinett in der Öffentlichkeit abgestellt, kann sich der Nutzer mittels App wieder auschecken.
Im Sommer 2019 fanden die E-Trottinette dann auch den Weg nach Zug. Rund 200 Stück standen in den Gemeinden Zug, Baar, Cham und Risch zur Verfügung. Doch bereits nach einem halben Jahr im Einsatz wurden die Trottis im Frühling 2020 wieder eingesammelt, da Anbieter Circ von seinem Konkurrenten Bird aufgekauft wurde. Zug musste sich nicht lange gedulden, bis die deutsche Firma Tier und der amerikanische Anbieter Lime ihre Chance ergriffen und die genannten Zuger Gemeinden wieder mit ausleihbaren E-Scootern versorgten.
Auf und davon
Zu Beginn erschien es als praktisch und unkompliziert, dass die Trottis nirgends zurückgebracht werden müssen, doch wurde immer wieder beobachtet, dass die Scooter achtlos auf das Trottoir geworfen wurden, im Weg lagen und im Gebüsch oder gar im See landeten. Ausserdem ist vielen unklar, welche Regeln für die Benutzung der E-Scooter gelten.
Unter anderem weisen die WWZ auf ihrer Webseite darauf hin, dass für E-Trottinette generell dieselben Verkehrsregeln gelten wie für Velos. Die Nutzerinnen müssen auf der Strasse fahren, das Rechtsfahrgebot einhalten und wenn möglich Velowege nutzen. Das Fahren auf dem Trottoir ist ausdrücklich verboten und das Tragen eines Helms wird empfohlen. Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren dürfen die E-Scooter benutzen, benötigen dazu jedoch einen Töffliausweis. Ab 16 Jahren ist kein Führerschein mehr nötig.
Helmträgerrabatt
Einen Helm zu tragen, lohnt sich für Circ-Nutzer auch finanziell, denn sie erhalten dadurch 25 Prozent Rabatt auf ihre Fahrt. Ob der Trottinettfahrer auch wirklich einen Helm trägt, überprüft die Circ-App mit einem Foto. Wenn man vor der Fahrt ein Selfie mit Helm schiesst und es auf die App hochlädt, erkennt diese den Helm an seiner Form und gibt automatisch den Rabatt an.
Mit diesen Regeln und ihrer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h ähneln die E-Scooter den bereits umweltschonenden Velos. Dabei war ursprünglich gedacht, dass die Scooter eine Alternative zum Auto bilden und auf diese Weise die Umwelt etwas entlasten würden. Gemäss Umfragen ist das aber nicht der Fall. Der E-Scooter ist zwar praktisch, da man ihn unabhängig eines Fahrplans benutzen kann und sich nicht um seine Pflege kümmern muss, doch erfüllt das Trotti nicht die Funktion eines Autos. So kann man auf den E-Scootern schlecht Waren transportieren und zu zweit auf dem Scooter zu fahren ist zwar möglich, wird jedoch mit einer Busse geahndet.
Umweltschädliche Produktion
Nicht zu vergessen ist, dass bei der Produktion der E-Scooter grosse Mengen an CO2 produziert werden. Laut einer Studie der University of North Carolina entsteht mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen, die ein E-Scooter während seiner gesamten Lebensdauer verursacht, bei seiner Herstellung und Materialgewinnung. Besonders die Herstellung der Lithium-Ionen-Akkus und des Aluminiumrahmens benötigt viel Energie.
Die meisten E-Scooter werden in China hergestellt, wo der Strom für die Produktion hauptsächlich aus lokalen Kohlekraftwerken stammt. Diese produzieren laut dem Global Coal Plant Tracker von Endcoal 14,4 Prozent der gesamten anthropogenen, sprich von Menschen verursachten, CO2-Emissionen. Das unterstreicht das umwelttechnische Problem der E-Scooter. Das deutsche Umweltbundesamt betont, dass die Lebensdauer der E-Scooter je nach Quelle lediglich zwischen drei und 24 Monaten beträgt. Um den ökologischen Schaden der Produktion erfolgreich auszugleichen, müssten die Scooter folglich bemerkenswert viele Autofahrten ersetzen.
Angesichts des Produktionsaufwands und der Lebensdauer der Scooter, bleibt demnach die Nutzung des privaten Velos sowie des öffentlichen Verkehrs ökologisch sinnvoller als die Investition in E-Trottis. Ganz zu schweigen davon, dass die Trottinette nicht immer sorgfältig behandelt werden. So werden allein in Zürich jedes Jahr über 100 Scooter aus dem Zürichsee gefischt. Auch in Zug wurden in den letzten Monaten laut dem lokalen Werkhof drei bis vier E-Trottis aus dem See entfernt.
Zur Verteidigung der E-Scooter
Jedoch dürfen die E-Scooter nicht vorschnell als reine Umweltsünde abgestempelt werden. «Man muss das System in seiner Gesamtheit betrachten», erklärt Lars Truttmann, der sich als Geschäftsleiter des Vereins Elektromobilität Zug für nachhaltige Mobilitätsformen einsetzt. «Wenn jemand, der normalerweise Auto fährt, dank dem E-Scooter-Angebot sich dazu entscheidet, den öffentlichen Verkehr zu nutzen und dann den letzten Streckenabschnitt bis zu seinem Ziel mit einem E-Trotti überbrückt, bringt das bereits einen Mehrwert für die Umwelt.»
Der CO2-Verbrauch einer einzelnen Person beinhalte viele Faktoren und müsse individuell betrachtet werden. Wer vom Auto auf den öffentlichen Verkehr wechselt, verliert an Flexibilität. Vom E-Scooter abgesehen, können auch andere, bereits etablierte Verkehrsmittel diesen Nachteil kompensieren. Um einen optimalen, umweltschonenden Transport zu ermöglichen, müssten viele verschiedene nachhaltige Mobilitätsmöglichkeiten mit ihren unterschiedlichen Vor- und Nachteilen zur Verfügung stehen, führt Truttmann aus. Dann könne jeder für sich selbst entscheiden, welche Kombination von umweltschonenden Verkehrsmitteln ihm passt.
Andere Möglichkeiten
Wer seinen CO2-Abdruck markant verringern möchte, kann die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, sich über weitere Sharing-Möglichkeiten informieren oder das Auto vermehrt durch das Fahrrad ersetzen. So sei ein Carsharing-Service wie zum Beispiel Mobility ein guter Kompromiss für alle, die ab und zu ein Auto brauchen. «Falls man sich doch für ein eigenes Auto entscheidet, lohnt es sich aus ökologischer und ökonomischer Sicht, sich ein Elektroauto zu zuzutun», so Truttmann. Da die Stromversorgung im Kanton Zug durch einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien sehr umweltfreundlich sei, sorge das Fahren eines E-Autos für eine deutlich tiefere CO2-Bilanz. Gemäss einer Studie der Technischen Universität Eindhoven ist ein Elektroauto bereits nach 30’000 zurückgelegten Kilometern nachhaltiger als ein Auto mit Verbrennungsmotor.
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