An der ETH Zürich hat ein Forschungsteam eine App entwickelt, die Dokumente auf ihre Echtheit prüft. Dank dieses Projekts können wichtige Papiere fälschungssicher gemacht werden. Bald sollen auch Luxusartikel wie Taschen und Uhren hinzukommen.
Wie schon der zynische Arzt Dr. House in der gleichnamigen Serie feststellte, «lügen alle Menschen». Damit verbunden ist auch die Herstellung von Fälschungen – ob von Fakten, Banknoten, Luxuswaren oder Dokumenten. Sich auf diese unredliche Weise einen unrechtmässigen Vorteil verschaffen zu können, soll nun erheblich erschwert werden, denn ein dreiköpfiges Forschungsteam der ETH Zürich hat eine Smartphone-App namens Thenti entwickelt, welche Dokumente auf deren Echtheit prüft.
Eine solche Überprüfung möglich zu machen, sei ein höchst aktuelles Thema, sagt David Basin, Professor am Departement Informatik an der ETH Zürich und Mitbegründer der Authentifizierungsapp Thenti: «Heutzutage kann vieles hergestellt werden und so stellt sich die Frage, wie wir mit der Tatsache umgehen, dass Mails, Webseiten und Dokumente gefälscht werden und selbst die Verbreitung von Falschinformationen wie Fake News längst Realität ist.» Bei der App geht es um die direkte Verbindung zwischen der digitalen und der analogen Welt, welche QR-Codes und Augmented-Reality-Anwendungen bereits schaffen. Entsprechend bestehe Bedarf, diese Verbindung so sicher wie möglich zu machen, so Basin.
Innert weniger Sekunden geprüft
Der Professor ist Mitglied des Zentrums für Digitales Vertrauen an der ETH. Dieses beschäftigt sich damit, Lösungen dafür zu finden, wie Vertrauen, Authentizität und die sichere Verbindung zwischen der echten und der digitalen Welt ermöglicht werden kann, erklärt der Professor. Die Thenti-App soll einen Ansatz für diese Verbindung darstellen. Die Technologie hinter der App ist nicht überaus komplex, doch auch nicht ohne kompliziert ausgeklügelte Elemente. Eine Herausforderung für die Forschenden war, die App möglichst nur relevante Unterschiede zwischen einem ausgedruckten Dokument und dessen digitalem Zwilling feststellen zu lassen. Zwar erkennt die App auch irrelevante Macken wie Falten, Schatten und Flecken auf dem Papier, lässt sich jedoch von ihnen nicht verwirren und vergleicht stattdessen die Texte der zwei Versionen. «Knapp erklärt, legt die App die zwei Bilder eines Dokuments übereinander und sucht nach Unterschieden», sagt Basin. Wurde eine Unstimmigkeit gefunden, betrachtet die App diesen Fehler näher und überprüft, ob es sich hier um eine absichtlich erzeugte Änderung handelt.
Die App erkennt ein Dokument anhand eines kryptografisch geschützten QR-Codes. Diesen bestimmt die Organisation, die das Dokument ausgestellt und es verschlüsselt auf einem Server gespeichert hat und jeweils dessen Kopie an Kunden versendet. Soll nun die Echtheit dieser Kopie geprüft werden, kann die Verifizierungs-App geöffnet werden, der QR-Code auf dem Dokument gescannt und das Dokument etwas länger als eine Sekunde lang gefilmt werden. Nun kann die App die Bilder im Film mit dem abgespeicherten Original vergleichen und allfällige Unterschiede markieren. Damit die Daten geschützt bleiben, wird der Film auf dem Smartphone nicht gespeichert. Selbst wenn ein Scan des Dokuments auf einem Bildschirm angezeigt und mit der Smartphonekamera gefilmt wird, kann die App dessen Wahrhaftigkeit oder Fälschung erkennen.
Raum für Entwicklung
Der Professor sieht noch Verbesserungspotenzial darin, die App Dokumente schneller verifizieren zu lassen und das mithilfe von allen möglichen Smartphonekameras sowie bei allen möglichen unvorteilhaften Lichtverhältnissen. Auch soll die App zukünftig Makel wie Falten besser digital glätten und die Dokumente ungeachtet allfälliger Störungen oder Fehler als echt oder gefälscht erkennen können.
Die Thenti-App ist nicht nur effektiv und einfach in der Handhabung, sondern bringt auch einen präventiven Charakter mit sich. Wenn die App einst an Bekanntheit gewonnen hat und sich viele Dokumente so einfach prüfen lassen, sollen Fälscher abgeschreckt werden. Zumal für zusätzliche Sicherheit eine digitale Signatur sorgt: Damit die QR-Codes selbst nicht gefälscht und auf einem separaten, vom Täter kontrollierten Server zu einem falschen Originaldokument führen, wird jeder QR-Code digital signiert. Diese Signatur erkennt Thenti und stellt so sicher, dass der verifizierte QR-Code zum Originaldokument in der richtigen Datenbank führt.
Ein wichtiger Service
Das Zentrum für digitales Vertrauen der Werner Siemens-Stiftung hat die Forschung finanziert, die App möglich gemacht hat. Anschliessend wurde das Pilotprojekt vom Forschungsteam in Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich umgesetzt, welche ihr Know-how hat einfliessen lassen. Aktuell funktioniert die App lediglich mit Betreibungsauszügen der Stadt Zürich, doch nicht nur städtische Verwaltungen sollen von Thenti profitieren. Zur Zielgruppe der App gehört «jeder Mensch, der wichtige Papierdokumente austauscht», sagt Basin. Er erinnert daran, dass Organisationen wie Banken zwar äusserst sorgfältig sicherstellen, dass digitale Daten gut gesichert sind. Doch werde die Sicherung von gedruckten Dokumenten oft vernachlässigt.
Entsprechend erwartet er eine grosse Nachfrage, was diese nutzerfreundliche Technik der Dokumentenprüfung anbelangt: «Je weiter die Technik voranschreitet, desto gekonnter können auch Fälschungen angefertigt werden und umso wichtiger ist es, Dokumente auf ihre Echtheit überprüfen zu können.» Dem Professor ist es ein Anliegen, das Angebot rund um die Thenti-App bekannt zu machen. Interessierte können die App aktuell noch gänzlich kostenfrei nutzen. In Zukunft sollen Nutzer jedoch nach einigen Prüfungsversuchen in ein Abonnement investieren.
Luxusgüter als nächster Schritt
Das Forschungsteam arbeitet aktuell daran, die App auch Luxusartikel wie Uhren, Kleider und Taschen auf ihre Echtheit überprüfen zu lassen. Da Gegenstände im Unterschied zu Dokumenten nicht nur eine Fläche haben und bei der Überprüfung auf andere Unterschiede geachtet werden muss, gestaltet sich der Programmierungscode deutlich anspruchsvoller. Auch müssen die Hersteller aktiver dazu beitragen, dem Programm die Eigenschaften der Originalartikel beizubringen.
«Aktuell haben wir bereits erste Versuche mit Uhren durchgeführt und dabei sehr gute Ergebnisse erzielt», erklärt Basin. Anhand des Zifferblatts lassen sich Fälschungen von Originalprodukten unterscheiden. Bei Taschen sind andere Merkmale wie zum Beispiel Nähte relevant und lassen sich unter anderem anhand der Länge der Stiche vergleichen. Ein Programm kann die kleinsten Unterschiede und Makel bei der Herstellung viel besser erkennen als das menschliche Auge. «Hierbei kommt das maschinelle Lernen zur Anwendung, was das Programm sehr genau werden lässt», sagt Basin. Für das Training stellen bereits einige Marken authentische Modelle ihrer Luxusgüter bereit. So sollen bald nicht nur Dokumente, sondern auch Tennisschuhe, Taschen und Uhren in Sekundenschnelle auf ihre Echtheit überprüft werden können.