Die Mini Start-up-Show

Wirtschaft für Kinder dank Pintolino

Selbstständigkeit, Verantwortung und am Ende sogar noch Profit? Die Zürcher Organisation YES bringt mit ihrem Programm Pintolino den Start-up-Gedanken auch in die Primarschulen.

Wenn man bis vor ein paar Jahren von Jungunternehmern im Schulalter sprach, dann kam einem die durch die Popkultur fest verankerte Idee des Limonadenstandes in den Sinn. Ein Glas frischgepresster Saft für nur ein paar Cent. Das Mini-Start-up direkt vor der eigenen Haustür steht dabei auch stellvertretend für den Unternehmergeist – vor allem natürlich in den USA. Aber auch der Keksverkauf der PfadfinderInnen gehört zu jenen Geschäftsideen, die von Kindern umgesetzt werden können und von denen sie auch selbst profitieren. Längst hat sich dieses Verkaufsmodell auch in der Schweiz etabliert und unterscheidet sich aus wirtschaftlicher Sicht vom klassischen Kuchenbasar, bei dem die Arbeitsleistung zumeist von den Müttern getragen wird. 

Schulklassen oder eben die Pfadi können sich so Ausflüge, neue Ausrüstung oder ein Fest selbst erarbeiten. Ganz ähnlich wie die Vereine der Erwachsenen. Mindestens einen Schritt weiter beim Erstkontakt zwischen Kindern und der Wirtschaft geht die Schweizer Organisation YES (siehe Box). Seit 2018 bietet die NGO mit Sitz in Zürich mit Pintolino ein eigenes Programm für Primarschulkinder an. Dabei stehen Kreativität, Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe und natürlich das Verständnis von Produktion und Arbeit im Zentrum. Angeboten innerhalb des regulären Unterrichts oder als Projektwoche, sollen hier Kinder in den Primarstufen 4 bis 6 erste Erfahrungen in Form eines Mini-Start-ups sammeln. 

Geld regiert die Projektwoche

«Wir wollen die Wirtschaft erklären. Wie funktioniert der Handel und wie funktioniert Geld? Aber wir wollen das spielerisch umsetzen», sagt Jens Thomsen, der im März den Posten des Programm Managers für Pintolino übernommen hat. Bereits seit 1999 gibt es bei YES Company Programme, welche Jugendliche an die Unternehmensgründung heranführt. Die angepasste Variante für die jüngere Generation hat dabei ihr Vorbild im Vereinigten Königreich. Von der Ideenfindung über die Planung und ersten Entwürfe geht die Projektarbeit dabei bis in die Vorbereitung und den Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung. Dafür bekommen die Schulklassen von YES pro Kind 10 Franken als Startkapital bereitgestellt, welches sie im Erfolgsfall aber zurückzahlen müssen. 

Kinder sitzen im Klassenzimmer und arbeiten im Rahmen von Pintolino

Wer ist kreativ? Wer kann gut reden? Bild: zVg

Thomsen sieht das Projekt auch als Abwechslung zum klassischen Frontalunterricht: «Die Kinder sollen sich selbst unterrichten bei der Suche nach dem passenden Produkt.» Neben dem erwähnten Startkapital und einem Leitfaden für die Lehrpersonen gehören auch VolontärInnen zum Bildungsprogramm. Im Falle einer Projektwoche unterstützt die Volontärin aus der Privatwirtschaft die Klasse mindestens an zwei Halbtagen. Im Schnitt verbringen die Freiwilligen aber deutlich mehr Zeit in den Klassen, versichert Thomsen. Durch zahlreiche Partnerschaften mit Unternehmen, Kantonen und Stiftungen kann man auf einen erfahrenen Pool aus Volontären zurückgreifen. Die UBS engagiert sich dabei nicht nur als Partnerin für das Volunteering, sondern unterstützt genau wie die Beisheim Stiftung ganz konkret das Projekt Pintolino. 

Mit Kartoffeln zum Erfolg

Der berüchtigte Limonadenstand schaffte es auch in die engere Auswahl der Klasse 6d an der Schule Kügeliloo in Zürich Oerlikon. Bei der Ideenfindung setzte sich im Frühjahr dann aber doch die Seniorenhilfe durch. Die Kinder organisierten sich im Rahmen des Projektes selbst in drei Arbeitsgruppen. «Hier sieht man auch wirklich, dass die Kinder engagiert sind und die Projektarbeit sehr ernst nehmen», lobt Thomsen die Eigenverantwortung der PrimarschülerInnen und zieht einen Vergleich zur Gruppenarbeit an der Universität. Das Lehrpersonal unterstützt nur dort, wo Hilfe wirklich erforderlich ist.

Porträt von Jens Thomsen, Programm Manager bei YES

Jens Thomsen übernahm im März 2024 die Rolle des Programm Managers bei YES. Bild: zVg

Auch die flachen Hierarchien im Mini-Unternehmen dürften jedes Start-up-Herz höherschlagen lassen. In der 6d hat man sich letztendlich gemeinsam auf die angebotenen Dienstleistungen geeinigt, zu denen einkaufen gehen, putzen und die Organisation von Gesellschaftsspielen zählen. Bezüglich Vermarktung sollten selbstgebastelte Flyer und Logo-Buttons auf das Engagement aufmerksam machen. Und auch der Stundenlohn wurde selbstständig auf 10 Franken festgelegt, damit am Ende nicht nur das Startkapital von 200 Franken zurückgezahlt werden kann, sondern auch genug Geld für einen Ausflug erwirtschaftet wird. In dem Bericht der Stadt Zürich dazu lobt die Lehrerin das fächerübergreifende Lernen, das vernetzte Denken und das verantwortungsbewusste Handeln, welches den Kindern durch Pintolino vermittelt wird. 

Im gerade zu Ende gegangenen Schuljahr haben insgesamt 279 Schülerinnen und Schüler am Programm teilgenommen. «Wir hatten sehr viele erfolgreiche Klassen und der Wettbewerb lief gut über die Bühne», blickt Thomsen zurück. YES hofft, in Zukunft zusätzliche Klassen für das Projekt gewinnen zu können. Seit 2022 dürfen die PrimarschülerInnen beim nationalen Finale des Company Programmes von YES dabei sein. «So führen wir die jüngeren und älteren Jungunternehmerinnen zusammen», erklärt Thomsen. In diesem Jahr präsentierten die besten Jungunternehmer ihre Geschäftsideen am 3. Juni in der Bahnhofshalle Zürich. In drei Kategorien gab es für die besten Primarklassen je 400 Franken zu gewinnen. 

Kinder präsentieren ihr Projekt Chips, Pintolino

ie selbstgemachten Chips waren ein voller Erfolg. Bild: zVg

Zu den Gewinnern zählte dabei auch die Klasse 5b aus Obermeilen, die mit ihren selbstgemachten Paprikachips nicht nur Thomsen beeindruckte, sondern auch die Jury überzeugte. Ihre «Chinos-Chips» wurden als bestes Produkt ausgezeichnet und ebenfalls in der Bahnhofshalle angeboten. Dafür investierten die Kinder auch noch nach der Projektwoche ihre Zeit in das Mini-Start-up und sammelten durch Verkäufe an Freunde und Familie mehr Geld für ihren Ausflug. Der Preis für das beste Design ging nach Uznach, wo die SchülerInnen einen kreativen Hotdog- und Limonadenstand gebaut haben. Und auch der Preis für den grössten Umsatz erhielt eine Klasse aus Uznach. Mit verschiedenen Dienstleistungen verdienten die Schulkinder insgesamt 770 Franken. 

Pintolino soll mehrsprachig werden

Der Wunsch nach einem Wettbewerb und einer Präsentationsmöglichkeit zählten zu dem Feedback der SchülerInnen, genau wie die Durchführung von Pintolino als Projektwoche. Aktuell gibt es das Angebot nur in deutschsprachigen und bilingualen Kantonen. Seit 2022 wird es auch auf Ukrainisch angeboten. Die Arbeiten für das neue Schuljahr laufen bei YES derweil schon auf Hochtouren. Dazu gehören auch die eingereichten Anträge und Unterlagen, damit das Bildungsprogramm bald auch in der Romandie starten kann. «Und ab Dezember soll das Thema Nachhaltigkeit im Programm integriert werden», erklärt Thomsen. Gemeint ist damit nicht nur die ökologische, sondern auch die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. 

IT-Strategieberaterin Vanessa Tschichold unterstützt die Kinder im Rahmen von Pintolino

IT-Strategieberaterin Vanessa Tschichold unterstützte die Klasse 6d als Volontärin. Bild: zVg

Der grosse Gewinn für die JungunternehmerInnen soll am Ende nicht nur eine interessante Projektwoche und ein schöner Ausflug sein. Zum Lohn der Arbeit gehört auch die mentale Ebene. «Die Erkenntnis, dass die eigene Arbeit und die investierte Zeit auch wirklich Früchte tragen kann. Wir wollen mit Pintolino das unternehmerische Denken fördern und das kommt auch bei den Primarkindern gut an», so Thomsen. 

Young Enterprise Switzerland  

Die Non-Profit-Organisation YES bietet praxisorientierte Wirtschafts- und Meinungsbildungsprogramme für die Jugend. Schülerinnen und Schüler sollen hier praxisnahe Bildung erleben und sich so Fähigkeiten aneignen, die für ihre persönliche und berufliche Zukunft wichtig sind. Das erste Company Programm in der Schweiz startete 1999 mit zwölf Miniunternehmen. 

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