Im Winter regeneriert sich der Wald und weniger Menschen verbringen ihre Freizeit dort. Das lässt den Tieren mehr Freiraum, vor allem denjenigen, die das ganze Jahr über aktiv sind oder hin und wieder aus der Winterruhe erwachen. Währenddessen wartet die Pflanzenwelt geduldig auf den Frühling.
Während der Wald im Sommer nur so von Leben und Lebewesen wimmelt, scheint er im Winter, teilweise unter einer Schneedecke, zu schlafen. Doch wer genau hinsieht, kann manch ein Tier oder dessen Spuren entdecken. Da nun nur wenig Grün die Waldlandschaft schmückt, lassen sich die wilden Lebewesen durch die kahlen Zweige umso besser erkennen.
So haben auch Laubbäume ihre Blätter schon längst abgeworfen, damit ihre Äste unter der Last des Schnees nicht brechen. Ein anderer Grund dafür, wieso sie ihre Blätter verlieren, ist das Sparen von Wasser. Durch die Blätter verdunstet Wasser, das im Winter eher spärlich ist. So können die Bäume in der Regel weniger nährstoffreiches Wasser aus dem Boden ziehen, da sich der Regen in Form von Schnee auf der Erdoberfläche sammelt. Ebenfalls müssen die Bäume für den Fall vorbereitet sein, dass das Wasser tief in der Erde einfriert. Deswegen bereiten sie sich bereits im Herbst konsequent aufs Wassersparen vor. An der Verfärbung der Blätter ist dann zu sehen, wie die Bäume alle nützlichen Stoffe aus den Blättern in den Stamm zurückziehen, um sich von ihnen den Winter über zu nähren.
Nadelbäume behalten ihr Grün
Im Gegensatz zu den Laubbäumen behalten Nadelbäume im Winter ihr grünes Kleid, da Nadeln deutlich weniger Wasser verdunsten lassen. Das liegt einerseits an ihrer dünnen Form, andererseits an der Cuticula, einer dünnen Wachsschicht auf deren Oberfläche, durch die die Verdunstung deutlich gesenkt wird. Ebenfalls sorgt die glatte und dünne Form der Nadeln dafür, dass der Schnee von den Zweigen abrutscht, wenn er zu schwer wird, statt sie zu brechen.
Einzig die Europäische Lärche wirft in unseren Wäldern auch als Nadelbaum ihre Nadeln ab. Grund dafür ist, dass sie ursprünglich nur in gebirgigen Lagen ab einer Höhe von 2500 Metern gefunden werden konnte. Da dort enorme Fröste herrschen, wirft die Lärche ihre Nadeln ab und kann so Temperaturen von bis zu -40°C überstehen.
Natürlicher, süsser Frostschutz
Doch die Bäume warten im Winter nicht nur auf den Frühling – die Vorbereitungen auf die wärmere Jahreszeit sind bereits in vollem Gange. So bereiten die Laubbäume schon die ersten Knospen vor. Diese sollen aber der Kälte widerstehen, weswegen sie behaart oder pelzig sind. Zudem sind sie von einer Harzschicht bedeckt. Durch Einlagerungen von Zuckerlösungen in den Knospen wird deren Gefrierpunkt gesenkt und sie bleiben bis zum Frühling intakt. Diese Zuckerlösung erzeugt der Baum aus der Stärke in seinen Zellen. Durch diese Umwandlung wirkt die Lösung als ein natürlicher Frostschutz. Dies vor allem an der äussersten Schicht des Baums, wo er auch am kältesten wird.
Der Stamm selbst muss ebenfalls vor dem Vereisen geschützt werden. Deswegen wird noch vor dem Wintereinbruch der Wassergehalt im Stamm auf ein Minimum herabgesetzt, damit er nicht einfriert. Dabei ist Wasser einer seiner wichtigsten Inhaltsstoffe und macht etwa 80 Prozent des Baummaterials aus. Die Rinde führt jedoch kein Wasser, weswegen sie dem Baum als eine wertvolle Schutzbarriere dient. Sie besteht aus vollständig verholztem Gewebe und wirkt durch ihre gespeicherten Lufteinschlüsse isolierend.
Wimmelbild Waldboden
Wenn sich Frost oder eine dünne Schneeschicht im Wald ausbreitet, lassen Tiere an ihren Spuren erkennen, dass sie sich in der Nähe befinden. Auch Frassspuren sind im Winter leichter zu entdecken, weil sie vom grünen Laub unbedeckt bleiben. Vor allem rund um Nadelbäume lohnt es sich, Ausschau nach angeknabberten Zapfen zu halten, die ein paar Eichhörnchen oder Hasen hinterlassen haben.
Wenn man den Boden genauer betrachtet, kann man gar auf seltene Funde wie ein Geweih hoffen. Im November und Dezember werfen Rehe ihr Geweih ab, Rothirsche hingegen tun dies von Februar bis April. Während es in Ländern wie Deutschland verboten ist, ein gefundenes Geweih mit nach Hause zu bringen, ist dies in der Schweiz erlaubt. Da Geweihe auf dem Waldboden auf den ersten Blick kaum von abgebrochenen Ästen zu unterscheiden sind, lassen sie sich nicht so einfach finden. Wenn sie nicht von Menschen entdeckt werden, werden sie unter anderem von Waldmäusen abgenagt und dienen ihnen als Kalziumquelle.
Den Tieren auf der Spur
Viele kleine Nager wie zahlreiche Mäusearten bleiben das ganze Jahr über aktiv und lassen sich im Winter in der Regel öfter entdecken als im Sommer. So bewegen sich die meisten Waldtiere während der kalten Jahreszeit oft langsamer, weil sie nicht durch Laub geschützt sind. Das macht die Wahrscheinlichkeit grösser, ein Tier in der Wildnis zu entdecken – auch solche, die aus der Winterruhe erwachen.
So halten Waldtiere wie der Igel nicht einen Winterschlaf, sondern eben eine Winterruhe. Das bedeutet, dass sie ab und zu aus ihrem Schlaf erwachen, um auf Nahrungssuche zu gehen. Dann kann es vorkommen, dass sie noch etwas verschlafen sind und sich von menschlichen Beobachtern weniger schnell stören lassen. Andere Tiere wie der Hase verbringen den Winter aktiv. Als Unterschlupf suchen sie sich keine Höhle, sondern drücken sich in windgeschützte Mulden, wenn sie nicht gerade auf Nahrungssuche sind. So auf dem Boden versteckt, lassen sie sich sogar einschneien, weil die Schneedecke zusätzlichen Schutz bietet und obendrein wärmt.
Nicht nur Tiere, auch zahlreiche Pflanzen halten eine Winterruhe. Zu solchen winterharten Gewächsen gehören unter anderem mehrjährige Kräuter wie Lavendel und Baldrian. Während der Winterruhe stirbt dann der oberirdische Teil solcher Pflanzen ab, während das Wurzelwerk intakt bleibt. Im Erdboden versteckt, wartet das Kraut auf den Frühling, wenn es erneut spriesst, oder dient einem Tier im Winter als Nahrung.
Achtsamkeit im Wald
Dem Waldboden dient der Schnee einerseits als isolierende Decke vor der Kälte. Andererseits absorbiert er den Schall der Waldgeräusche. Deswegen ist es im Wald im Winter so ruhig und WaldbesucherInnen haben die Gelegenheit, ihren Hörsinn verschärft zu geniessen. Ohne Schnee erreichen die Schallwellen eines Geräuschs die Ohrmuschel doppelt – einmal von der Quelle des Geräuschs aus und einmal vom Boden reflektiert. Wenn die poröse Schneeoberfläche diese Schallwellen wie ein Teppich auffängt, ist das Geräusch nur aus einer Quelle zu hören. Umso ruhiger wird es, wenn es schneit, da die Schneeflocken die Schallwellen zusätzlich in alle Richtungen streuen.
Folglich verleiht eine Schneedecke dem Wald eine ungewöhnlich leise Geräuschkulisse, mit der man auf eine besondere Art Achtsamkeit üben kann. Solches Waldbaden und viel Tageslicht tanken ist ausserdem ein gutes Mittel gegen die Winterdepression. Beim Waldbaden schlendert man mit oder ohne besonderen Fokus auf die Sinne durch die Landschaft. Dabei kann man sich von den Waldbewohnern überraschen lassen, entschleunigen und innehalten.