Die Wasserschanzen-Anlage Jumpin in Mettmenstetten sucht wohl weltweit seinesgleichen. Doch ein Selbstläufer ist der Betrieb deswegen nicht. Vor allem auch, weil die Infrastruktur stets mit der Zeit gehen muss, um im Vergleich mit der Konkurrenz nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Es war ein Full-Doublefull-Full, mit dem sich Sonny Schönbächler 1994 in Lillehammer zum ersten Olympiasieger in der Geschichte der Skiakrobatik kürte. Anschliessend hing der Zuger die Ski an den Nagel, blieb dem Sport, der heute als Aerials bekannt ist, jedoch treu. Noch in Lillehammer schmiedeten Schönbächler sowie der damalige und heutige Aerials-Nationaltrainer Michel Roth den Plan, in der Schweiz eine Wasserschanze für Skiakrobaten zu bauen.
Die Suche nach einem geeigneten Standort im Säuliamt gestaltete sich jedoch zäh. Schliesslich wurde man in Mettmenstetten fündig und das Trainingszentrum Jumpin mit Trampolinen, Anfahrtsrampe, Swimmingpool und bis sieben Meter hohen Schanzen konnte 1996 eröffnet werden. Während Schönbächler die ersten Jahre die Geschicke der Anlage leitete und bis heute Teil des Vorstands ist, übernahm Andreas Isoz 2003 die Leitung der Schanze. Seit 2006 ist er ausserdem Präsident des Vereins, der sich um das Jumpin kümmert.
Isoz ist selbst ehemaliger Skiakrobat und bei unserem Besuch gerade damit beschäftigt, die Helferinnen beim Anbringen der Plakate für das nächste Event zu instruieren. Während es bei der Freestyle-Night im Juli rein um den Spass und die Unterhaltung des Publikums ging, das staunend die Sprünge von Freeskiern, Skatern, Bikern und Aerials-Athleten verfolgte, handelt es sich beim Freestyle Masters am 21. August um einen offiziellen FIS-Wettkampf. Dabei ist der Fokus voll auf die Skiakrobatinnen aus der Schweiz und dem Ausland gerichtet, die den Anlass als Vorbereitung auf den Winter und die Sprünge auf Schnee nutzen.
Die Türen blieben offen
Andreas Isoz ist froh, herrscht nach der Pandemie wieder Normalbetrieb im Jumpin inklusive Anlässe. Denn während Covid-19 fielen zwar abgesehen von den Coronahilfen die Einnahmen weg, doch konnte auf der anderen Seite der Betrieb trotzdem nicht komplett heruntergefahren werden. «Der Unterhalt während der Schliessung gestaltete sich durch die Pflege der Anlage relativ ressourcenintensiv. Da das Training nicht ausgesetzt war, musste sie im Prinzip im Normalbetrieb weiterlaufen», erklärt der Olympionike von Vancouver 2010. Freilich mussten dabei strenge Vorschriften eingehalten werden. So hatten die Athleten zeitweise einzeln anzureisen, zeitversetzt zu trainieren und sie durften nicht im Jumpin duschen oder sich umziehen.
Grundsätzlich geniesst das Jumpin jedoch keine staatliche Unterstützung. Stattdessen finanziert sich die Anlage zu einem Drittel über in- und ausländische Nationalteams, die hier trainieren, zu einem Drittel via Sponsoreneinnahmen und zu einem Drittel über öffentliche Eintritte durch Schulklassen, Vereine, Firmen und Gruppen. «Die Schüler kommen für eineinhalb Stunden vorbei. Gerade nach einer anstrengenden Schulreise freuen sie sich auf die Slackline und Slip’n’Slide, wenn es auf dem Plastik rutschend über die Schanze geht», erzählt Isoz.
Den grösseren Teil machen allerdings die Gruppeneintritte aus, für die auch ein dreistündiges Angebot besteht, das zusätzlich das Überfahren der Schanzen mit den Ski beinhaltet. Den dritten Part bilden die Firmenevents, wobei oftmals ein Showspringen integriert wird, um aufzuzeigen, was auf der Schanze alles möglich ist. Gerne wird der Ausflug zudem mit einem weiteren Angebot der Jumpin-Betreiberin Elevents verbunden, beispielsweise mit einem Gin-Workshop oder Urban Gardening.
Nun mit Bungee
Die Einnahmen fliessen nicht nur in den täglichen Betrieb, sondern ist die Infrastruktur quasi ständig «work in progress», um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben. So wich beispielsweise 2015 die alte Schanze einem kompletten Neubau. Isoz ergänzt dazu, dass «die Absprünge im Schnee immer steiler geworden sind, um höhere Sprünge zu ermöglichen, was auch mit mehr Anlauf verbunden ist». Erst reagierte man beim Jumpin mit einem Gerüstbau darauf, um den Anlauf zu verlängern, und schnelleren Matten. «2014 reglementierte die FIS unter anderem aus Sicherheitsgründen den Absprung, wodurch wir Planungssicherheit genossen. Entsprechend ist die Schanze von den Massen her nun exakt so, wie sie sein muss.»
2018 wurden bei einem Crowdfunding über 40’000 Franken gesammelt, um ein 16 Meter hohes Acro Bungee auf der Anlage zu installieren, welches das Einüben von neuen Sprüngen wesentlich vereinfacht. Auch eine neue Trampolingrube wurde erstellt sowie der Slackline Park neu gebaut. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich Isoz und Co. nun zurücklehnen können. Stattdessen haben sie bereits das nächste Grossprojekt ins Auge gefasst: den Pool.
Jetzt steht der Pool auf der Liste
Isoz führt aus, dass es beim Pool einen Aspekt gebe, der extrem wichtig sei und den man beim Jumpin bis jetzt nicht zufriedenstellend hinbekommen habe: Die Luftanlage, welche die Landung weicher macht und entsprechend für den Rücken sehr wichtig ist. «Wenn man die Landung noch weicher hinbekommen würde, könnte man neue Sprünge leichter und mit geringerem Verletzungsrisiko trainieren.»
Doch die grosse Frage ist, wie man möglichst energieeffizient Luftblasen aus vier Metern Tiefe an die Wasseroberfläche bekommen kann – und zwar in der richtigen Mischung, damit die Landung so angenehm als möglich ausfällt. Wird mit zu viel Luft gearbeitet, ist die Landung zwar weich, doch wird es schnell problematisch, wenn das Luftkissen zu hoch ist und man dieses nicht exakt trifft. Ausserdem muss die Athletin immer noch drin schwimmen können und darf nicht bis zum Poolboden absinken. Das Wunschszenario aus Sicht des Jumpin wäre ein Projekt in Zusammenarbeit mit einer Universität oder Hochschule, um die gewünschten Komponenten exakt berechnen und so die ideale Luftanlage einbauen zu können.
Verbunden mit der Ukraine
Das Engagement von Isoz und seinem Team beschränkt sich aktuell jedoch nicht nur auf das Jumpin, sondern unterstützen sie seit Ausbruch des Kriegs auch die ukrainische Bevölkerung. Der Zürcher erklärt: «Seit meiner Aktivzeit bin ich mit einigen aus dem ukrainischen Aerials-Team befreundet. Als der Krieg ausbrach, bot ich ihnen unsere Hilfe an, falls sie etwas brauchen. Als die Situation akuter wurde, fuhren wir zu zweit los, um ihnen benötigte Güter wie Sanitätsmaterial, Taschenlampen und warme Kleidung zu bringen.»
Im Vorfeld sammelte er ausserdem Geld für die Ukrainerinnen, 10’000 Franken waren das Ziel – am Ende kamen rund 320’000 Franken zusammen. «Das Geld ist mittlerweile jedoch fast komplett aufgebraucht, fünf- oder sechsmal sind wir in die Ukraine gefahren, um Güter zu liefern. Die nächste Ladung ist für August geplant», sagt Isoz.
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