Autonome Fahrzeuge, die entlegene Gebiete erschliessen, E-Autos, die als Energiespeicher fungieren und ein «virtuelles Kraftwerk». Der Verein Zug Alliance schickt sich an, durch Pionierprojekte den Kanton Zug zu einem Zentrum der technologischen Entwicklung werden zu lassen. Mit dabei sind zahlreiche namhafte Akteure aus der Region.
Die Erde brennt. In und um Los Angeles vor wenigen Wochen gar wortwörtlich. Es war ein weiteres Bild mit Symbolcharakter, sinnbildlich für die Klimakrise stehend. Immer dringlicher wird entsprechend eine konsequente Dekarbonisierung in Bereichen wie Mobilität, Infrastruktur und Energie. Dessen ist man sich auch im Kanton Zug bewusst, wo im vergangenen Herbst der Verein Zug Alliance gegründet wurde, der zum Ziel hat, «die sektorübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, um Energie und Mobilität schneller zu dekarbonisieren». Die Rede ist von Leuchtturmprojekten, die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft beschleunigen sollen.
Entstanden ist die Idee dazu 2022 bei der AMAG Group, die verschiedene Zuger Wirtschaftsakteure, darunter das Tech Cluster Zug, Siemens Schweiz, Cham Group, Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) sowie die WWZ einlud und bald darauf weitere Akteure miteinbezog. «Uns geht es darum, unsere Kompetenzen und Kräfte zu bündeln, was zu einer technologischen Beschleunigung und Projekten mit Pilotcharakter führen kann», erklärt Andreas Bittig vom Tech Cluster Zug. Er amtet an der Seite von Philipp Wetzel von der AMAG Group als Co-Geschäftsführer der Zug Alliance.
Mittlerweile sind mit Zug Estates und der Stadt Zug weitere namhafte Vereinsmitglieder hinzugekommen. Auch mit dem Kanton Zug steht man in engem Kontakt und der Verein erfährt durch die Universität St. Gallen wissenschaftliche Unterstützung. «Uns war wichtig, mit starken hiesigen Partnern in unserer Region zu starten, wobei der Kanton Zug das ideale Biotop bietet», spricht Philipp Wetzel die Kleinräumigkeit, die kurzen Wege sowie das innovations- und wirtschaftsfreundliche Klima im Kanton Zug an.
Ein virtuelles Kraftwerk
Bittig betont, dass es in der DNA der beteiligten Unternehmen liege, praxis- und umsetzungsorientiert zu agieren. Dies drückt sich bei der Zug Alliance dadurch aus, dass beim offiziellen Start nicht bloss von Ideen und Visionen die Rede war, sondern bereits konkrete Projekte vorgestellt wurden, die vom Kanton finanziell unterstützt werden. «Die Projekte sollen innerhalb von zwei bis maximal drei Jahren zumindest pilotmässig umgesetzt werden können und Anstoss geben, damit auch für externe Akteure vielleicht eine neue Geschäftsidee oder ein neues Produkt entstehen kann.» Aktiv politisieren möchte man als Wirtschaftsakteure nicht, doch könne es natürlich vorkommen, dass im Falle eines erfolgreichen Projekts mit Pioniercharakter politische Akteure dies aufgreifen.
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Andreas Bittig (links) und Philipp Wetzel bilden die Geschäftsführung der Zug Alliance. Bilder: zVg
Zu den konkreten Projekten gehört das «Virtuelle Kraftwerk Zug», das zum Ziel hat, die Energie-Resilienz im Kanton Zug zu stärken. Die energetische Versorgungssicherheit zu wirtschaftlichen Preisen soll so möglichst gewährleistet sein. Dafür setzt man auf ein konsequentes Miteinander von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie eine intelligente Planung der benötigten Energiemengen pro Standort und Energieträger sowie der zeitlichen Verschiebung von Energieströmen, um ressourcenschonend agieren zu können und einen geringen Bedarf an physischer Netzinfrastruktur zu haben.
Was dies konkret bedeuten kann, zeigt ein Blick auf die Flachdächer Zugs, die oftmals frei von temporären Photovoltaik-Anlagen sind. Dies soll sich ändern, denn Andreas Bittig erklärt, dass das Potenzial hierbei gross sei. «Die Grundeigentümer geben als Grund für eine fehlende PV-Anlage oft an, dass in einigen Jahren sowieso aufgestockt oder ein Neubau realisiert wird, entsprechend lohne sich dies nicht mehr.» Dass diese Jahre ungenutzt verstreichen, missfällt ihm. So hat man nun mehrere grosse Dachflächen gefunden, wo sich eine temporäre PV-Anlage nicht nur realisieren lässt, sondern ökologisch wie ökonomisch Sinn macht. Ziel ist, bis zum Sommer dort PV-Anlagen zu installieren, um in gut einem Jahr das Projekt auf weiteren Dächern fortzuführen. Am Ende soll ein ausgereiftes Modell entstehen, das auch in anderen Kantonen adaptiert werden kann.
Das E-Auto als Speicher
In technologischer Hinsicht noch ziemlich jung ist das Konzept des bidirektionalen oder netzdienlichen Ladens, wobei Energie in beide Richtungen ausgetauscht wird. Sprich, das Elektroauto kann auch Strom ins Netz einspeisen, dient also als Energiespeicher. Dabei können die rund 85’000 Fahrzeuge im Kanton Zug eine Chance bieten: Als dezentrale Speicher können sie einerseits das Netz stabilisieren und zum anderen den Strom vom Tag in den Abend transferieren oder gar über mehrere Tage speichern und wieder nutzbar machen. Auch der Netzausbau könnte so reduziert werden.
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Temporäre PV-Anlagen können sich bereits nach einigen Jahren rechnen. Bild: miklav / Depositphotos
Die Zug Alliance setzt mit dem Pilotprojekt «Netzdienliches Laden» auf diese Technologie. An drei Standorten in Cham (Papieri-Areal, Landwirtschaftliches Bildungs- und Beratungszentrum, VW-Handelsbetrieb) wird in einer ersten Phase getestet, wie bidirektionales Laden in ein Netz eines Areals eingebunden, Vehicle-to-Building genannt, technisch funktioniert. Später soll untersucht werden, wie bidirektionales Laden für sämtliche Interessengruppen funktionieren kann. Anschliessend sollen die verschiedenen Standorte über einen virtuellen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch oder eine Elektrizitätsgemeinschaft miteinander vernetzt werden. Ausserdem möchte man eine Vehicle-to-Grid-Einbindung testen, um elektrische Energie aus den Batterien von E-Fahrzeugen wieder zurück in das Energiesystem zu führen. Die Vision dahinter ist, netzdienliches Laden schweizweit zu skalieren.
Ohne Fahrer ans Ziel
Das dritte Projekt rückt automatisiertes Ridepooling ins Zentrum. Dabei werden autonome Fahrzeuge (Shuttles) ohne Fahrpersonal mithilfe eines Algorithmus’ so eingesetzt, dass Fahrten in eine ähnliche Richtung intelligent zusammengefasst werden, wodurch der klassische ÖV ergänzt werden kann. Die Zug Alliance erarbeitet bis im Frühling in Zusammenarbeit mit dem Kanton Zug eine Machbarkeitsstudie für die Integration von automatisierten Ridepooling-Fahrzeugen. Dabei geht es darum, die Thematik und Umsetzungsmöglichkeiten in Zug besser zu verstehen und eine nationale Vorreiterrolle beim automatisierten Fahren einzunehmen.
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Durch automatisiertes Ridepooling sollen zusätzliche Randregionen erschlossen werden. Bild: siyue / Depositphotos
Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wird das gesamte kantonale Strassennetz «gemappt», analysiert und auf seine Eignung für autonome Fahrzeuge untersucht, wie Philipp Wetzel verrät. Mehrere Parameter gilt es dabei zu berücksichtigen wie zum Beispiel Wendemöglichkeiten, Steigungsprozente und die Kurvenradien. «Wir spielen verschiedene Szenarien durch, schauen, was wo geht und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Realisierung gegeben sein müssen.» Er weist darauf hin, dass auf diese Weise Randregionen und -zeiten erschlossen werden könnten, die für den ÖPNV schlicht nicht rentabel sind.
Der Blick geht in die Zukunft
Obwohl Akteure aus den verschiedensten Bereichen Teil der Zug Alliance sind, glaubt Philipp Wetzel nicht, dass die Gefahr besteht, sich durch die unterschiedlichen Interessen zu verzetteln. «Wir nahmen uns anfänglich die Zeit, um uns zu finden, gemeinsame Interessen herauszuarbeiten und verstehen es, eine Themenpriorisierung vorzunehmen.» Andreas Bittig ergänzt, dass so sogar eine Beschleunigung der Lernkurve aller Beteiligter entstehen könne. Mit dem Verein habe man ein Gefäss geschaffen, in dem eine firmenübergreifende Zusammenarbeit zur Selbstverständlichkeit wird. «So kann ein anderer Blickwinkel eingenommen werden und man findet eine gemeinsame Basis, wie es sonst vielleicht nicht möglich gewesen wäre.»
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Bei der Zug Alliance wird vorwärtsgedacht. Bild: zVg
Der Verein erhält aktuell unter anderem von externen Unternehmen zahlreiche Zuschriften und Anfragen, das Interesse daran ist gross. Vorerst wolle man die Projekte, die sich aktuell in der Konzeptphase befinden, ausarbeiten und an die Behörden übergeben, bevor man die Türe für neue potenzielle Mitglieder öffnet. Gleichzeitig betont Bittig, dass man sehr offen und interessiert sei an konstruktiven Impulsen. «Dabei geht es primär über Inhalte und dass wir gegenseitig voneinander profitieren können.» In den kommenden Wochen wird die Zug Alliance einen Massnahmen- und Fahrplan für die kommenden Monate und Jahre präsentieren, wobei insbesondere 2026 mehrere neue Projektinitiativen lanciert werden sollen.