Die Hochschule, Universität und Pädagogische Hochschule Luzern bieten mit dem «Campus für Flüchtlinge» seit diesem Herbstsemester ein innovatives Integrationsvorstudium an. Das gemeinsame Programm bereitet geflüchtete Akademiker auf ein reguläres Studium in der Schweiz vor und unterstützt sie dabei, sprachliche, kulturelle und akademische Hürden zu überwinden. Im Interview geben die Verantwortlichen Einblicke in Herausforderungen, Erfolge und Zukunftsaussichten dieses wegweisenden Projekts.
Für wen eignet sich das Integrationsvorstudium?
Für Menschen mit Fluchterfahrung, die bereits einen Bachelor oder Master in ihrem Heimatland gestartet oder abgeschlossen haben und auf einem Deutsch-Sprachniveau B1 sind.
Wie viele Studierende aus welchen Ländern sind zurzeit in diesem Studium?
Zehn Studierende aus der Türkei, Afghanistan, Syrien und der Ukraine.
Wieso braucht es das Integrationsvorstudium?
Um den Studierenden den Einstieg in ein reguläres Bachelor- oder Master-Studium zu erleichtern, beziehungsweise sie auf die «Art» des Studierens in der Schweiz vorzubereiten.
Wie unterscheidet sich das Integrationsvorstudium an der Hochschule Luzern (HSLU) von regulären Studiengängen?
Die Personen, welche das Studium absolvieren, sind nicht immatrikuliert und erwerben daher noch keine ECTS. Es ist ein Vor–Studium.
Welche spezifischen Herausforderungen gibt es bei der Integration von geflüchteten Studierenden in den Hochschulalltag?
Sprachbarrieren, fehlendes Vorwissen, Traumata, fehlende Anerkennung von Diplomen und Zeugnissen und vieles mehr.
Wie werden die Sprachkenntnisse der Teilnehmenden gefördert, um sie auf ein reguläres Studium vorzubereiten?
Es werden zwei Arten von Deutschkursen angeboten: ein Vorbereitungskurs auf die Sprachprüfung telc C1 (Europäisches Sprachzertifikat) und ein Kurs «Wissenschaftssprache Deutsch», also akademisches Deutsch, als Vorbereitung für das Studium.
Welche Rolle spielt das Mentoring-Programm mit lokalen Studierenden für den Erfolg der geflüchteten Teilnehmenden?
Eine sehr grosse. Die Mentorinnen und Mentoren schlagen Brücken zu anderen Mitstudierenden und unterstützen die Geflüchteten in studienrelevanten sowie anderen Themen. Die Mentorinnen und Mentoren werden dabei von einer Fachperson angeleitet, da dies ein grosser Gelingfaktor für eine erfolgreiche Vorbereitung für ein Regelstudium ist.
Inwiefern bereitet das Programm die Teilnehmenden auch auf die kulturellen Aspekte eines Studiums in der Schweiz vor?
Da der Campus Luzern keine neuen Strukturen geschaffen hat, interagieren die Personen mit Fluchterfahrung direkt mit «lokalen» Menschen. Ebenfalls besuchen sie bereits erste Module in den Regelstudien als Fachhörerinnen und Fachhörer, so dass sie bereits zu Beginn in Berührung mit den Hochschulkulturen und -strukturen kommen.
Wie wird sichergestellt, dass die Teilnehmenden nach dem Integrationsvorstudium tatsächlich in reguläre Studiengänge übergehen können?
Die Koordinatorin des Campus Luzern begleitet die Geflüchteten während des Integrationsvorstudiums. Dazu gehören Standortgespräche sowie die Begleitung und Unterstützung bei etwaigen Anmeldungen für ein Regelstudium.
Der erste Studiengang ist im Herbst gestartet. Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen?
Dafür ist es zu früh. Wir stehen inmitten der ersten Standortgespräche.
Wie arbeitet die HSLU mit anderen Institutionen und Behörden zusammen, um den Geflüchteten bestmögliche Chancen zu bieten?
Wir stehen in engem und regelmässigem Austausch mit den Zentralschweizer Kantonen und den dazugehörigen Integrationsbeauftragten-Stellen.
Welche Pläne gibt es, das Programm in Zukunft weiterzuentwickeln oder auszubauen?
Zurzeit wird das Projekt neben den Eigenmitteln der drei Hochschulen noch zusätzlich durch den Fonds «Perspektiven – Studium» unterstützt. Das längerfristige Ziel ist, das Integrationsvorstudium in den Regelstrukturen der Hochschulen zu verankern und dementsprechend weiterzuentwickeln.
Welche spezifischen Fachrichtungen oder Studiengänge sind für geflüchtete Studierende besonders zugänglich, und warum?
Mit zehn teilnehmenden Studierenden ist es schwierig, eine valable Aussage zu machen. Oft wählen sie Fachrichtungen, die sie bereits von ihrem Heimatland kennen.
Inwiefern wird auf die individuellen Bedürfnisse der geflüchteten Studierenden eingegangen, insbesondere in Bezug auf ihre unterschiedlichen Hintergründe und Erfahrungen?
Es findet zwar ein regelmässiger Austausch mit dem Campus Luzern und mit den Mentorinnen und Mentoren statt, dabei soll es jedoch in erster Linie um die Vorbereitung auf das Studium gehen. Sollten andere Themen aufkommen, für welche die Involvierten nicht geschult sind, sind sie angehalten, den Flüchtenden Hilfsangebote aufzuzeigen.
Gibt es Möglichkeiten für geflüchtete Studierende, ihre eigenen kulturellen Perspektiven und Erfahrungen in das Hochschulumfeld einzubringen?
Durch ihre Anwesenheit und ihr Handeln wird das Hochschulumfeld bereits geprägt und trägt auch etwas zur «Internationalisation@home» bei, also dem Erwerb interkultureller Kompetenzen im Studium. Spezifische Strukturen, um dies in einem grösseren Ausmass zu tun, gibt es bislang nicht, da es auch in erster Linie um die Integration der Geflüchteten in die Schweiz und den hiesigen Arbeitsmarkt geht.
Wie wird der Erfolg des Programms gemessen, und welche Kriterien werden dafür verwendet?
Erfolgserlebnisse sind natürlich, dass die Personen nach dem Integrationsvorstudium im besten Fall ein Studium starten können oder eine andere Anschlusslösung finden. Zudem wird eine Begleitstudie durchgeführt, welche das Programm begleitet, die Gelingfaktoren aufzeigt und allfällige Massnahmen zur Verbesserung vorschlägt.
Inwiefern besteht die Gefahr, dass durch das Programm falsche Erwartungen bei den Teilnehmenden geweckt werden, die später im regulären Studium oder auf dem Arbeitsmarkt enttäuscht werden könnten?
Ziel ist es, den Geflüchteten die Möglichkeiten aufzuzeigen und sie auf dem Weg zu einem Studium beziehungsweise einer Anschlusslösung zu unterstützen und begleiten. In erster Linie muss jedoch die Initiative von den Geflüchteten kommen und sie allein sind auch der Haupt-Gelingfaktor. Die Hochschulen bieten den entsprechenden Rahmen. Dennoch kann die Gefahr nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Wie gehen Sie mit möglichen Vorurteilen oder Widerständen seitens einiger Lehrkräfte oder regulärer Studierender gegenüber dem Programm um?
Wir bemühen uns, den Vorurteilen und Widerständen durch gezielte Information entgegenzutreten. Dies ist aber ein Punkt, dem bei der Weiterentwicklung des Programms noch mehr Beachtung geschenkt werden soll.
Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die langfristige Finanzierung und Nachhaltigkeit des Programms?
Im heutigen Umfeld, geprägt von Sparmassnahmen in allen Bereichen, ist dies eine grosse Herausforderung. Der Erfolg des Programms – erfolgreiche Integration von bereits Qualifizierten in den Arbeitsmarkt – wird jedoch hoffentlich die Notwendigkeit desselben aufzeigen und die involvierten Hochschulen ermutigen, entsprechende finanzielle Mittel zu sprechen und somit die Nachhaltigkeit zu sichern.