Bezahlen ohne Bargeld und Plastikkarte? Unmöglich, glauben Sie? Nicht ganz. Der Alleskönner Smartphone wird in Zukunft auch als Geldbörse und Finanzmanager fungieren. Einen einheitlichen Standard gibt es allerdings noch nicht. Viele Anbieter des kontaktlosen Zahlens haben sich in der letzten Zeit auf den Schweizer Markt gedrängt. Sicher ist aber, dass das mobile Bezahlen das Bargeld langfristig ablösen wird.
In Migros- und Coop-Läden lässt sich schon heute problemlos per Smartphone bezahlen. Doch dieses Angebot wird noch wenig von den Schweizern genutzt. Dabei sind die Vorteile mobiler Bezahldienste nicht von der Hand zu weisen. Durch die Sicherheitsvorkehrungen ist die Methode sicherer als Bargeld, das verloren oder gestohlen werden kann. Eine Kreditkarte dagegen wird nicht überall akzeptiert. Und die klassische Bankkarte ist auch nicht zu 100 Prozent fälschungssicher. Auch gibt es die Möglichkeit, per Handy Geld an ein anderes Handy zu überweisen. Zudem hat jeder sein Smartphone immer dabei. Auch Wearables, wie Smartwatches, könnten so künftig als Bezahlsystem eingesetzt werden, da auch sie unsere ständigen Begleiter sind.
Postfinance hat die App Twint auf den Weg gebracht. Grosse Händler wie Coop, Migros und Denner sowie kleinere Händler bieten diese Zahloption inzwischen an. Doch die App kann nicht nur im stationären Handel eingesetzt werden. Auch in vielen Online-Shops wird sie inzwischen akzeptiert. Offline dient ein sogenannter Beacon an der Kasse als Zahlterminal. Ist dieser nicht vorhanden, kann auch der angezeigte QR an der Kasse gescannt werden. Auch untereinander können Twint-Nutzer Geld transferieren. Twint ist derzeit der grösste Anbieter in der Schweiz. Bisher war Tint als Prepaid-Lösung gedacht. Ab diesem Jahr kann per Debit-Funktion das Konto aber auch direkt belastet werden. Der Anbieter Paymit war zuvor die meistgenutzte App, bis diese mit Twint fusionierte.
Migros hat ein eigenes System mit M-Connect entwickelt. Neben der Bezahloption können dort auch die Einkäufe und alle Coupons des Händlers verwaltet werden. Per Strichcode an der Kasse wird hiermit bezahlt. Die Kassenbons werden ebenfalls digital in der App hinterlegt. Die Einkaufsliste kann über die Apple Watch verwaltet und so im Laden abgehakt werden.
Swiss Wallet nutzt die Dienstleistung Masterpass. Hierbei handelt es sich um eine digitale Bezahllösung von Mastercard. Das System ist offen für alle gängigen Kreditkarten. Im Wallet sind bereits alle Karten hinterlegt und die Karteninformationen werden laufend aktualisiert, zum Beispiel bei einem Adresswechsel. Die Authentifizierung von Wallet-Inhabern erfolgt durch ein Zwei-Faktor-Verfahren im Online-Shop. Die Option für mobiles Zahlen soll bald folgen.
Tech-Giganten schalfen beim mobilen Bezahlen
Eine weitere Option ist die Powerpay-App. Mittels eines PINs wird ein Barcode in der App generiert. Dieser wird von dem Händler erfasst und der Zahlvorgang abgeschlossen.
Auch der Schweizer Uhrenhersteller Swatch lässt sich die Möglichkeit des mobilen Bezahlens nicht entgehen. Mit der Swatch Bellamy-Uhr ist das kontaktlose Zahlen mit dem Handgelenk möglich. In der Uhr ist ein NFC-Chip verbaut. Die Uhr fungiert als Prepaid-Karte.
Die Tech-Giganten Samsung, Google und Apple kommen dagegen nur schleppend in die Gänge, was mobile Bezahlsysteme betrifft. Apple Pay ist inzwischen auch in der Schweiz verfügbar. Das System nutzt die kontaktlose Zahlmethode über Near Field Communication (NFC). Somit ist das Bezahlen an allen Kassenterminals, die mit der NFC-Technik ausgestattet sind, möglich. Dafür werden in der App die jeweiligen Bank- und Kreditkarten hinterlegt. Auch mit der Apple Watch kann bezahlt werden. Zudem kann innerhalb von einigen Shopping-Apps und Online-Händlern mit Apple Pay bezahlt werden. Mittels Touch-ID wird der Bezahlvorgang ausgelöst.
Android Pay ist bisher noch nicht in der Schweiz verfügbar, wird aber auch hier auf absehbare Zeit kommen. Auch der Google-Dienst nutzt NFC. Zum Bezahlen muss aber nicht einmal die App geöffnet werden, es reicht, wenn das Smartphone einfach an das Terminal gehalten wird. Die einzige Bedingung ist, dass der Homescreen entsperrt ist. Auch Bonusprogramme sind in dem System hinterlegt und werden automatisch beim Bezahlen mitbedient. Auch mit dieser Variante kann in Shopping-Apps bezahlt werden.
Samsung Pay unterstützt neben NFC auch Magnetic Secure Transmission (MST) und ist daher mit mehreren Bezahlsystemen kompatibel. Der Dienst steht in der Schweiz kurz vor der Markteinführung.
Das Swiss Payment-Forum beschäftigt sich seit einiger Zeit mit den neuen Möglichkeiten und stellte fest, dass den Kunden bei solchen Diensten vor allem Vertrauen und Sicherheit wichtig ist. „Die Auswahl an Bezahlmöglichkeiten durch verschiedene Anbieter steigt stetig und stellt den Kunden vor die Wahl. Hier könnten etablierte Payment-Anbieter punkten, die durch ihre Marktstellung in puncto Beständigkeit und Vertrauenswürdigkeit ein zuverlässiger Partner für den Kunden sind. Die Kunst wird es sein, Relevanz, Komfort und Sicherheit unter einem Hut zu vereinen, um digitales Payment langfristig erfolgreich zu gestalten“, heisst es in einer Mitteilung.
Vorreiter in Sachen digitaler Bankgeschäfte war sicherlich der Anbieter PayPal. Dieser ist vor allem im Zusammenhang mit dem Online-Auktionshändler eBay ein Begriff, wo er sich längst etabliert hat. Doch inzwischen akzeptieren auch zahlreiche Online-Shops PayPal. Bei der Anmeldung werden die Kontodaten abgefragt. Kommt es dann zu einem Kauf, ist es ausreichend, bei der Zahlung die E-Mail-Adresse des Verkäufers anzugeben, schon weiss der Dienst, wohin das Geld geht. Entweder kann PayPal als Prepaid-Konto genutzt werden oder die Kosten werden über die Kreditkarte abgebucht.
Noch gibt es Nachholbedarf im Bereich der neuen Bezahlmethoden. 84 Prozent der Käufer bevorzugen nach wie vor die Rechnung als Zahlungsmethode, wenn diese angeboten wird. Und trotz vieler Sicherheitsvorkehrungen fühlen sich 39 Prozent beim Bezahlen unsicher, bei unregelmässigen Online-Shoppern sind es sogar 69 Prozent. Die Kreditkarte ist online sicherlich noch das sicherste Zahlungsmittel, kann aber nicht überall eingesetzt werden, da die Gebühren für die Bank recht hoch sind. Alternativen können hier die verschiedenen Pay-Apps bieten. 62 Prozent der Schweizer würden solche Methoden auch öfter nutzen. Welcher Bezahldienst auf Dauer aber das Rennen und damit den Standard machen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Die meisten Schweizer Banken stehen allerdings hinter dem Platzhirsch Twint. Apple Pay ist aber auf dem Vormarsch und wird – zumindest weltweit – eine entscheidende Rolle einnehmen.