Seit letztem Jahr ist Bastian Baker als Headliner zusammen mit dem Zirkus Knie auf Tour durch die ganze Schweiz. Nach dem Finale in Luzern trennen sich die Wege vorerst. Zeit, mit dem Musiker auf die unvergessliche Zeit mit seiner «neuen Familie» zurückzuschauen.
Alles begann 2019 in Sion. Bastian Baker besuchte mit befreundeten Komikern eine Aufführung des Zirkus Knie und ass anschliessend mit der Familie Knie Raclette. Erst stand die Frage als Witz im Raum, wann der Singer-Songwriter dem Zirkus beitreten würde. Doch schon bald wurde aus dem Hirngespinst Ernst und Baker setzte sich mit Géraldine Knie zusammen, um zu schauen, was sich realisieren liesse. Coronabedingt ging es mit Verspätung im Sommer 2021 los, heuer konnte schliesslich die komplette Tournee absolviert werden.
Gut drei Jahre und hunderte Aufführungen in 23 Städten nach dem ersten Zusammensitzen befindet sich der Zirkus Knie nun in Luzern als «Knies Weihnachtswelt» im Finale mit Bastian Baker als Headliner. Zum ersten Mal in der über 100-jährigen Geschichte des Zirkus Knie durfte mit dem Lausanner ein Sänger diese Rolle ausfüllen. Rasch wurde Baker zu einem Teil der Familie, mit Pferdeflüsterer Ivan Knie beispielsweise verbindet ihn seither eine enge Freundschaft – wobei Baker selbst vor diesem Engagement noch nie auf einem Pferd sass.
Wie es für den Romand nach der letzten Aufführung am 6. Januar weitergehen wird, wie es ihm gelingt, bei teilweise drei Aufführungen pro Tag körperlich und mental frisch zu bleiben und weshalb er das Leben im Studio nicht vermisst hat, verriet er im Gespräch mit FonTimes.
Bastian Baker, wir treffen Sie direkt zwischen zwei Aufführungen zum Interview. Ist der Adrenalinpegel schon wieder tief genug, um für ein Gespräch ruhig dazusitzen?
Ich kann eigentlich ziemlich schnell wieder runterkommen zwischen den Shows – anders sieht es am Abend aus. Direkt danach schlafen zu gehen, ist unmöglich für mich. Das Adrenalin kann mich schon mal bis 3 oder 4 Uhr in der Früh wachhalten. Mit der Zeit lernt man, wie mit dem Ganzen umzugehen. Wichtig ist, sich auf den Moment zu fokussieren. Ich kann mich glücklich schätzen, schon früher viel Sport gemacht zu haben. Gerade meine Vergangenheit als Eishockey-Spieler kommt mir da zugute: Dort hast du Einsätze von 30 bis 40 Sekunden, wobei du voll bei der Sache sein musst; anschliessend kannst du dich wieder etwas ausruhen. Hier ist es ähnlich.
Gehen Sie im Bett liegend die Aufführungen vor dem geistigen Auge nochmals durch?
Nur wenn dabei Probleme auftauchten oder etwas Besonderes passierte. Bei über 300 Aufführungen im Jahr lernt man schnell, Distanz zu schaffen, wobei man sich natürlich gerne an die schönen Momente und besonders gelungenen Shows erinnert. Die Arbeit im Zirkus ist auf der einen Seite sehr ernst, die Konzentration muss hochgehalten werden. Gleichzeitig ist sehr viel Humor dabei, wir lachen jeweils, wenn etwas Lustiges passiert oder was schiefgeht. Es ist wie beim Tennis: Missglückt ein Ballwechsel, muss der Fokus bereits auf dem nächsten liegen.
Nun steht das Finale der Tournee an. Gehen Sie körperlich mittlerweile auf dem Zahnfleisch?
Der Körper und die Stimme fühlen sich immer noch gut an, wobei ich schon spüre, dass es dem Ende zugeht, nun werden die letzten Reserven mobilisiert. Ich muss schon wieder eine Parallele zum Sport ziehen: Es fühlt sich wie ein Marathon an, wobei die letzten Kilometer die schwierigsten sind und ich weiss jetzt schon, dass ich nach der letzten Show komplett am Ende sein werde. Aber im Moment läuft es so gut und es gilt nun, die letzten Shows einfach zu geniessen. Bereits als wir in Fribourg die letzte Aufführung in der Romandie hatten, fühlte es sich besonders an.
Der körperliche Aspekt ist das eine. Doch gilt es auch, mental frisch zu bleiben und dem Publikum den Eindruck zu vermitteln, als wäre es die erste Aufführung. Wie schaffen Sie es, geistige Müdigkeit zu verhindern?
Dank der Leidenschaft. Bringt man diese in seinem Tun mit, macht dies alles viel einfacher.
Sie haben mittlerweile hunderte Auftritte hinter sich. Sind da Proben überhaupt noch nötig oder steht die Regeneration im Vordergrund?
Für mich ist aktuell die Erholung wichtiger. Ich muss vor allem auf meine Stimme achten und schauen, dass ich möglichst gesund bleibe sowie genug schlafe. Wirklich geprobt habe ich seit Monaten nicht mehr. Anderswo ist hingegen weiterhin tägliches Training nötig. So beispielsweise bei Ivan Knie, der mit Pferden arbeitet.
Wie verbringen Sie die Tage, bis die Aufführung losgeht?
Sport und feines Essen sind zwei Dinge, die ich sehr mag. Entsprechend widme ich mich gerne diesen Aspekten, mache mich beispielsweise an den Spielorten auf die Suche nach neuen Restaurants und spiele regelmässig Tennis mit Ivan, wenn wir nicht zu müde sind. Ausserdem lese ich viel und oft; dies gibt mir sehr viel mehr, als mich stundenlang durch Social-Media-Feeds zu scrollen. Generell verbringen wir natürlich viel Zeit miteinander innerhalb der Zirkusfamilie.
Zur Person Bastian Baker, bürgerlich Bastien Kaltenbacher, wollte ursprünglich in die Fussstapfen seines Vaters und Grossvaters treten und Eishockeyprofi werden, wobei er diesen Traum zugunsten der Musik aufgab – auch wenn er 2020 kurzzeitig sein Comeback für Martigny in der dritthöchsten Liga feierte. Seine ersten Auftritte als Musiker hatte er bereits mit 13 Jahren, mit 15 schrieb er eigene Songs. Prominenter Entdecker des Lausanners ist Claude Nobs, Gründer des Montreux Jazz Festivals, wo er mit 18 Jahren auftreten durfte. Der Durchbruch gelang Baker 2011 mit seinem Debut-Album «Tomorrow May Not Be Better», das mit Platin ausgezeichnet wurde. Es folgten im Jahr darauf die Auszeichnung mit dem «Prix Walo Newcomer» sowie einem Swiss Music Award als «Best Breaking Act National». Seine weiteren Alben erreichten jeweils Platz 1 oder 2 in den Charts, für seine vierte Platte «Bastian Baker» verbrachte er fast ein Jahr in Nashville. 2018 ging er an der Seite des kanadischen Superstars Shania Twain auf Welttournee. Seit 2021 tourt der 31-Jährige als Headliner mit dem Zirkus Knie durch die gesamte Schweiz. Das Finale findet in Luzern statt, wo der Zirkus Knie vom 9. Dezember bis 6. Januar zu Gast ist.
Also doch fast wie in einer «klassischen» Familie.
In der Vergangenheit fand ich es jeweils lächerlich, uns als kleine Familie zu bezeichnen, weil wir doch keine «echte» Familie waren – auch wenn dies die Leute so gerne hören wollten. Aber mittlerweile sehe ich es etwas anders und es wird gefrotzelt, dass wir meiner Mutter noch sagen müssen, dass ich nun bei der Familie Knie bleiben werde. Ich kann nun wirklich sagen, dass ich mich als Teil der Familie fühle.
Im vergangenen Jahr fiel die Tournee verkürzt aus, plus war es das erste Jahr, als Sie dabei waren. Haben Sie das Gefühl, das Zusammenspiel in der Manege funktioniert nun noch reibungsloser und die Automatismen greifen besser bei der aktuellen Tournee?
Absolut, wobei ich selbst es nicht zwingend spüre. Jedoch sehe ich es anhand der anderen KünstlerInnen und kürzlich sagte jemand aus dem Team zu mir «du hättest sehen sollen, wie du vor eineinhalb Jahren auf der Bühne getanzt hast im Vergleich zu jetzt». Ich gebe zwar immer 100 Prozent, doch hat sich dieses persönliche Maximum mit der Zeit nach oben verschoben.
Sie sind ansonsten als Solokünstler unterwegs, nicht als Teil einer Band. Hier nun sind Sie Teil von etwas Grösserem. Wie gross war für Sie die Umgewöhnung?
Daran habe ich nicht einmal gedacht. Aber es ist in der Tat wichtig, zu verstehen, dass man ein Teil vom Ganzen ist, auch wenn man vielleicht prominent auf den Plakaten zu sehen ist. Wir sitzen gemeinsam in einem Boot und wenn jemand nicht gut drauf ist, spürt dies der Rest des Teams. Am Ende der Show versammeln wir uns alle zusammen in der Mitte der Manege und dann sollte jeder stolz darauf sein, was er gerade vollbracht hat.
Und Sie waren sogleich mittendrin statt nur dabei.
Mir war es von Anfang an wichtig, mitzuhelfen und meine Meinung einzubringen. Ich habe bei den Proben geschaut, dass mit Musik, Licht etc. alles passt. Es ist faszinierend, wie innovativ und offen für neue Ideen der Zirkus Knie ist. Meine Eltern schauten sich im letzten Jahr die Show 15 Mal an. Sie betonten, dass sie jedes Mal wieder etwas Neues entdeckten. Géraldine und Co. überlegen sich ganz genau, welche Elemente wie passen würden. So war auch von Anfang an klar, dass ich nicht bloss für ein, zwei Lieder in die Manege komme und mich dann wieder verabschiede. Am ersten Probetag befand ich mich schon nach kurzer Zeit plötzlich 15 Meter hoch in der Luft.
Standen Sie zu Beginn der Proben jeweils mit offenem Mund da und schauten ehrfürchtig zu?
Absolut, ich fragte mich, wie das überhaupt möglich ist, was die ArtistInnen vorführten und als Zuschauer war ich mir sicher, bei den Nummern sei irgendein Trick dabei, anders ginge es doch gar nicht und es ist doch so gefährlich. Dann ist man selbst Teil davon und realisiert: Doch, es geht tatsächlich – ohne Trick! Die spinnen einfach alle! Ich werde mich an all die ersten Male im Zirkus erinnern, auch als zum ersten Mal etwas schiefging, die Panik, die ich dabei verspürte – einfach eine unvergessliche Zeit.
Haben Sie das Gefühl, die einzigartige Bühnenperformance mit AkrobatInnen etc. verleiht Ihrer Musik nochmals eine zusätzliche Dimension?
Möglich. Ich habe hier auf jeden Fall gelernt, die Musik auf den Punkt zu bringen, das Timing zu perfektionieren, wann welcher Höhepunkt wie folgen muss.
Haben Sie es während der Tournee manchmal vermisst, im Studio zu sitzen und in Ruhe an neuen Songs zu arbeiten?
Nein, denn ich liebe es, im Moment zu leben und mein Fokus liegt momentan voll auf dem Zirkus Knie. Wenn ich in den letzten Monaten im Studio sass, dann für Projekte von anderen MusikerInnen, unter anderem für meine Schwester Maryne. Es hätte durchaus Momente gegeben, als ich die zeitlichen Kapazitäten gehabt hätte, mich neuen Songs zu widmen, beispielsweise als wir «nur» eine Show pro Tag hatten. Doch warum sollte ich mich unnötig selbst stressen?
Wissen Sie schon, was nach dem Tourneeabschluss in Luzern für Sie folgen wird?
Nein, auf jeden Fall werde ich erstmal eine kleine Pause einlegen und mich um das Musikprojekt meiner Schwester und auch dem weiterer Talente kümmern. Im Sommer werde ich vermutlich an einigen Festivals auftreten, jedoch noch ohne neue Songs im Gepäck.
Könnte es irgendwann eine dritte Tournee geben mit dem Zirkus Knie und Ihnen?
Irgendwann durchaus, doch sicherlich nicht nächstes Jahr. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass wir es extrem schön fänden, würde es in Zukunft noch einmal klappen. Es ist eigentlich nur eine Frage des geeigneten Zeitpunkts.
Wären Sie dafür gemacht, als festes Mitglied Vollzeit über mehrere Jahre mit einem Zirkus zu touren?
Schwierig, obwohl ich es liebe, unterwegs zu sein. Doch das Leben ist für mich eine nie endende Entdeckungsreise und ich habe noch viele Ideen für Projekte, die ich gerne einmal umsetzen und denen ich mehr Aufmerksamkeit schenken möchte. Das Zirkusleben ist eine unvergessliche Zeit gewesen, jedoch steht man dabei auch oftmals im Mittelpunkt und nun brauche ich einfach eine Pause davon.
Die Pause von der letzt- zur diesjährigen Tournee dauerte nur rund sechs Wochen. Reichte diese Zeit, um die Batterien wieder voll aufzuladen?
Es war tatsächlich nur eine kurze Verschnaufpause – zumal ich in dieser Zeit auch noch mein neues Album promotete. Jedoch benötige ich auch keine Auszeit, wenn ich voll im Flow bin und mir die Tätigkeiten Spass machen. Geplant ist, nun eine mehrmonatige Pause einzulegen, doch vermutlich werde ich nach wenigen Tagen bereits das nächste Projekt anreissen.