Repression war nicht die Lösung

Gespräch über die offene Drogenszene in Zürich

In der Photobastei Zürich findet aktuell eine Ausstellung statt, die sich der offenen Zürcher Drogenszene der 1980er- und 1990er-Jahre widmet. Begleitend dazu findet kommenden Mittwoch ein Gespräch mit Experten darüber statt, wie durch die Vier-Säulen-Politik nach Jahren der Repression ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden werden konnte.

Gut 30 Jahre ist es nun her, als am 14. Februar 1995 die Stadt Zürich die offene Drogenszene am Letten schloss. Aus ganz Europa reisten Journalisten nach Zürich, um über die Räumung zu berichten. Die Aktion war einer der beiden Pfeiler neben der Einführung des Vier-Säulen-Modells, die für eine Zäsur in der Drogenpolitik sorgten. Von damals geblieben sind sowohl (drogen)politische als auch kulturelle und urbane Erfahrungen. So spielte sich im Kreis 5 eine für die Schweiz neue Art von sozialer Katastrophe mit kollektiv überforderten Beteiligten ab, sowohl Drogenabhängige waren betroffen als auch ihre Familien, die sozialen Institutionen, die Polizei, Gassenarbeiterinnen sowie die Verwaltung.

Die Photobastei Zürich nimmt das Jubiläum als Anlass für einen Blick zurück auf die Ereignisse von damals. Das Kulturhaus am Sihlquai tut dies in Form der Ausstellung «Offene Drogenszene in Zürich» mit Bildern von Gertrud Vogler (1936-2018) und Videobeiträgen von Heinz Nigg. Allein aus der Platzspitz- und Lettenzeit sind rund 10’000 Negative von Vogler erhalten. Die meisten Bilder entstanden aus persönlichem Interesse und abseits journalistischer Verwertungsüberlegungen. Zahlreiche Bilder erschienen aber auch im Rahmen der Berichterstattung der WoZ.

Das Rondell im Platzspitz in Zürich wird gereinigt

Reinigungsarbeit um das Rondell im Platzspitz. Eine Aufnahme vom 16. Juni 1990 von Gertrud Vogler. Bild: Schweizerisches Sozialarchiv

Der Fokus wird auf die offene Szene sowie auf die schmerzhafte menschliche und gesellschaftliche Erfahrung von damals gelegt. Es geht dabei darum, die damaligen Realitäten und Widersprüche aus historischer Distanz mit Foto- und Videodokumenten in Erinnerung zu rufen, um so eine kritische Auseinandersetzung mit der Zürcher Stadtgeschichte zu ermöglichen. Es geht dabei um Fragen, wie die Betroffenen mit den traumatischen Erlebnissen umgingen, wie sich die Drogenpolitik in Zürich über die Jahre entwickelt hat und vor welchen neuen Aufgaben der Umgang mit Drogen heute steht. Die Ausstellung richtet sich auch an ein Publikum, das die offene Drogenszene der 1990er-Jahre nicht aktiv miterlebt hat.

Raus aus der Sackgasse

Während die Ausstellung bereits am 20. Februar durch eine Vernissage lanciert wurde und auch mehrere Führungen stattgefunden haben, steht nun am Mittwoch, 5. März, ab 19:30 Uhr im dritten Stock der Photobastei ein Gespräch zu dem Thema respektive begleitend zur Ausstellung statt. Heinz Nigg als Kurator der Ausstellung unterhält sich dabei mit Peter-Paul Bänziger und Michael Herzig, zwei der Co-Autoren von «Die Schweiz auf Drogen. Szenen, Politik und Suchthilfe 1965-2022», darüber, wie die Vier-Säulen-Politik nach Jahren der Repression einen Ausweg aus der Sackgasse gefunden hat. Bänziger ist Privatdozent für Neuere Allgemeine Geschichte an der Universität Basel, während Herzig als Dozent für Soziale Arbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften tätig ist.

https://vimeo.com/1046132593

Heinz Nigg ist bereits seit Anfang der 1980er-Jahre freiberuflich als Ethnologe und Kulturschaffender engagiert. Seine Schwerpunkte sind soziale Bewegungen, Videoarbeit mit Gruppen, Partizipation in der Stadtentwicklung sowie die Darstellung von Migrations- und Mobilitätserfahrungen durch Selbstzeugnisse. Der Zürcher arbeitet vor allem mit Porträts, basierend auf der Methode der Oral History. 2017 kuratierte er für das Schweizerische Nationalmuseum die Ausstellung Rebel Video über die alternative Videobewegung der 1970er- und 1980er-Jahre in der Schweiz und Grossbritannien. Er beschäftigt sich auch immer wieder mit Medienkunst und Fotografie.

Bezüglich Eintrittspreis gilt für die Veranstaltung das Modell des Prix Libre, sprich die Besucherinnen können die Höhe des Betrags selbst bestimmen. Die Finissage mit einer Führung durch die Ausstellung findet am Sonntag, 9. März, um 15 Uhr statt.

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