Hülsenfrüchte fristen bei uns ein ziemliches Schattendasein. Das Zürcher Start-up Fabas versucht dies mit einem unkonventionellen Ansatz zu ändern. Denn: Noch dieses Jahr soll eine Joghurt-Vormischung auf den Markt kommen, die auf Erbsen und Bohnen basiert.
Es ist kein Geheimnis, dass die Umweltbilanz von Lebensmitteln, die Tierhaltung involvieren, deutlich schlechter ausfällt als jene von ihren pflanzlichen Alternativen. Das Joghurt bildet hierbei keine Ausnahme. So zeigt eine Studie aus Deutschland aus dem Jahre 2020 auf, dass das CO2-Äquivalent pro Kilogramm Naturjoghurt 1,7 Kilogramm beträgt. Handelt es sich dabei um ein Bio-Joghurt, sind es sogar 1,9 Kilogramm. Beim Joghurtersatz auf Sojabasis ist es mit 0,6 Kilogramm hingegen bloss ein Drittel davon. Bei anderen Lebensmitteln fällt der Unterschied noch eklatanter aus.
Obwohl die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen, fällt beim Gang durch den Supermarkt gleichzeitig auf, dass die pflanzlichen Ersatzprodukte nach wie vor ein Nischendasein fristen, während Fleisch- und Milchprodukte nicht nur deutlich prominenter platziert sind, sondern auch in der Auswahl um ein Vielfaches überragen. Doch gerade auch in der Schweiz gibt es zahlreiche Start-ups, die daran etwas ändern möchten. Sie forschen an pflanzlichen Alternativen zu tierischen Produkten und/oder verkaufen diese anschliessend immer öfter auch in den Filialen der grossen Detailhändler.
Die Grenzen von Hummus und Falafel
Zu diesen Unternehmen gehört auch Fabas. Gegründet wurde das Schlieremer Start-up 2021 von Anik Thaler während ihres Agronomiestudiums an der ETH Zürich. Ihr fiel dabei auf, dass fast alle Zutaten pflanzlicher Convenience-Produkte aus dem Ausland importiert werden, mit der Konsequenz, dass Schweizer Landwirte nicht Teil des Wandels sind. Unnötig aus Sicht der Zürcherin und so gründete sie Fabas, wobei der Name bereits darauf hindeutet, was die Basis bildet, denn «Fabaceae» ist die botanische Bezeichnung für die Familie der Hülsenfrüchte. Bohnen und Erbsen als pflanzliche Eiweissquelle sollten gefördert werden, wofür verschiedene Produkte wie Hummus, Falafel und Bohnenburger hergestellt und auf den Markt gebracht wurden. Unter anderem gewann das mittlerweile sechsköpfige Team vergangenes Jahr den Grand Prix Bio Suisse für Innovation und Nachhaltigkeit in der Bio-Branche.
«Doch uns wurde bewusst, dass wir mit Hummus und Falafel nicht die Welt verändern können, die Nachfrage und somit der Hebel ist dafür einfach zu klein», erzählt Anik Thaler. Die Produkte sind zwar weiterhin im Biohandel erhältlich, jedoch wurde im Juni der eigene Onlineshop eingestellt. Der Aufwand dafür sei einfach zu gross gewesen und die abgesetzte Menge zu klein, erklärt die Co-Gründerin und Marketingverantwortliche Lena Rutishauser. Stattdessen wurde in den letzten Monaten ein Strategiewechsel eingeleitet, wobei nun nicht mehr der direkte Weg zum Konsumenten angestrebt wird und auch das Angebot erfährt eine Änderung.
Ein Joghurt aus Hülsenfrüchten
Im eigenen Labor wurde eine pflanzliche Joghurt-Vormischung entwickelt, die noch dieses Jahr auf den Markt kommen soll, wobei Hülsenfrüchte wiederum die Basis bilden. Zentrales Element dabei ist eine Extraktionstechnologie, mithilfe derer sich minimal verarbeitete Proteinextrakte aus Erbsen und Bohnen gewinnen lassen. Bei der Vormischung handelt es sich um eine flüssige Zutat, die als Alternative zu Kuhmilch in der Joghurtherstellung verwendet werden kann.
Dieser Ansatz bietet gleich mehrere Vorteile. So kann ein hoher Proteingehalt von bis zu sechs Gramm pro 100 Gramm erzielt werden, es ist keine zugesetzte Stärke nötig, wie das in pflanzlichen Joghurts sonst üblich ist, und die Konsistenz sowie der Geschmack kommen einem Joghurt auf tierischer Basis sehr nahe. «Der Joghurt, der sich mit der Vormischung herstellen lässt, ist angenehm säuerlich, die Textur cremig, nur die Farbe etwas weniger strahlend weiss als bei einem Naturjoghurt aus Kuhmilch», erklärt Lena Rutishauser.
Abnehmer dieser Joghurt-Vormischung sind Lebensmittelhersteller wie Molkereien. Diese können damit nicht nur zur Akzeptanz und Verbreitung pflanzlicher Lebensmittel beitragen, sondern auch die Nachhaltigkeit ihres Endprodukts steigern. Denn Hülsenfrüchte wie die Kichererbse, deren Anbau in der Schweiz keine grosse Aufmerksamkeit zukommt, tragen als Lieferanten von pflanzlichem Eiweiss zu einer ausgewogenen Ernährung bei und sind gleichzeitig trockenresistent. Es wird weniger Düngemittel benötigt, weil die Hülsenfrüchte Stickstoff aus der Luft im Boden binden können. «Wir arbeiten für den Anbau unserer Hülsenfrüchte mit rund zwei Dutzend Landwirtschaftsbetrieben zusammen», führt Rutishauser aus. Wobei Fabas sogar eine Warteliste mit etwa 100 Betrieben führt, so gross ist das Interesse vonseiten der Landwirte.
Keine neuen Maschinen nötig
Auch bei den Molkereien stösst der Ansatz von Fabas auf Anklang. «Als wir die Molkereien anfragten, zeigten sich viele interessiert und offen für eine Zusammenarbeit», erklärt Rutishauser. Ein grosser Pluspunkt für die Molkereien besteht darin, dass sie für die Weiterverarbeitung der Joghurt-Vormischung von Fabas auf ihre bestehende Infrastruktur zurückgreifen können und nicht etwa zusätzliche Maschinen besorgen müssen. «Ansonsten würde es sich für die Molkereien wahrscheinlich nicht rechnen, einfach mal etwas auszuprobieren», ist sich Rutishauser bewusst.
In Schlieren ist man überzeugt davon, dass sich das Interesse an Joghurts auf pflanzlicher Basis nicht nur auf Landwirtschaftsbetriebe und Molkereien beschränkt, sondern auch die Konsumentinnen einschliesst. Denn während die Debatte um Fleischersatzprodukte vielerorts sehr emotional geführt wird und in manchen Kreisen gar ein Gefühl der Entmündigung und Verbotskultur vorherrscht, gehen die Wogen rund um Milchersatzprodukte weniger hoch. Zumal man niemandem etwas wegnehmen will, wie Rutishauser betont, vielmehr gehe es darum, Alternativen aufzuzeigen.
Hierbei geht es unter anderem auch um Sichtbarkeit, wobei sich das in diesem Segment nicht einfach gestaltet, denn die Milch- und Fleischwirtschaft erfährt grosszügige Subventionen von Bundesseite. So wurde beispielsweise 2019 die Fleischwerbung vom Bund mit fast sechs Millionen Franken unterstützt. Entsprechend gross ist auch das Werbebudget der Lobbyverbände, was sich wiederum auf die Wahrnehmung der Konsumentinnen auswirkt, als wie gesund und klimafreundlich Schweizer Fleisch- und Milchprodukte wahrgenommen werden.
Auf das Joghurt folgt der Käse
Die ungleiche Mittelverteilung zeigt sich auch anderswo, beginnend beim Anbau von Hülsenfrüchten, der nur geringfügig gefördert wird. Denn während Landwirte für den Anbau von Zuckerrüben rund 2100 Franken plus 200 Franken für die Zuckerherstellung erhalten, sind es für Hülsenfrüchte nur 1000 Franken. Wobei dies bereits einen Fortschritt darstellt, denn bis Mitte 2023 erhielten Schweizer Landwirte für den Anbau von Hülsenfrüchten für die menschliche Ernährung überhaupt keine Einzelkulturbeiträge – Geld gab es nur für den Anbau der Hülsenfrüchte für Tierfutter.
Was die Finanzen von Fabas anbelangt, so wurden kürzlich im Rahmen einer Seed-Finanzierungsrunde 1,3 Millionen Franken an frischem Kapital eingesammelt. Daran beteiligt waren unter anderem Industrie- und Privatinvestoren sowie mehrere Business Angels. Mit dem frischen Kapital wird unter anderem die Forschung im eigenen Labor vorangetrieben, denn nicht nur soll die Joghurt-Vormischung weiter perfektioniert werden, es wird aktuell auch an einer pflanzlichen Käse-Vormischung gearbeitet. «In Bezug auf den Frischkäse sind wir schon ziemlich weit; herausfordernder gestalten sich der Mozzarella und der Hartkäse», erklärt Lena Rutishauser. Erste Prototypen existieren bereits und das Ziel ist, dass die Käse-Vormischung 2025 auf den Markt kommen kann. Auch pflanzlicher Rahm oder Schlagrahm könnte in Zukunft zum Thema werden, wie Anik Thaler verrät. Doch nun gelte es vorerst, den Fokus auf einen gelungenen Markteinstieg der Joghurt-Vormischung zu legen.