Erste Erfahrungen mit dem eigenen Start-up

FMZ Start-up Academy des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums Luzern

Von fein duftenden Seifen bis hin zur Veranstaltung von Partys – das Angebot der Lernenden des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums Luzern ist vielfältig und kreativ. Um sich im Unternehmertum zu üben, gründen die Wirtschaftsschülerinnen ihr eigenes Startup und verkaufen ihre ersten Produkte.  

Eigene Produkte entwickeln, im Team arbeiten, einen Geschäftsplan erstellen, Investoren finden, Marketing betreiben und Kunden ansprechen – die Führung eines eigenen Unternehmens steckt voller Herausforderungen. Um erste Erfahrungen in der Geschäftswelt zu sammeln und sich mit eben jenen Aspekten vertraut zu machen, gründen die Schülerinnen und Schüler des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums Luzern (FMZ) ihre eigenen Start-ups. Im Rahmen der FMZ Start-up Academy üben sich die 16- bis 18-jährigen Lernenden dabei jeden Mittwochnachmittag in unternehmerischen Rollen wie Finanzchefin, CEO oder Marketingleiterverantwortlicher. 

Bereits seit zwölf Jahren führt die Schule einen wöchentlichen Projektunterricht durch, in dem die Lernenden im zweiten Ausbildungsjahr der Wirtschaftsmittelschule ihre ersten Schritte als Unternehmer machen. Basierend auf ihren Interessen und Ideen entwickeln sie in Teams von fünf Schülern einzigartige Produkte und unterziehen ihre Kreationen dem ultimativen Härtetest: dem Markt. Auch die Unterhaltung einer Webseite, das Führen der Buchhaltung sowie die Bewerbung des Produkts gehören zum Projekt dazu. Während des Projektjahres durchlaufen die Start-ups folgende Projektphasen: Wahl der Geschäftsidee, Auseinandersetzung mit der Geschäftsidee, Projektplanung, Projektumsetzung, Weiterführung des Projekts und Auflösung des Projekts. 

Durch eine solche praktische Übung erhalten die Lernenden die Gelegenheit, sich ein Verständnis für gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge auf dem Markt anzueignen und sich mit der Unterstützung von Coaches im Unternehmertum zu versuchen. «Wir Lehrpersonen geben den Schülerinnen mit verständlichem Lernmaterial die Schritte zum Start-up vor und bieten ihnen Hilfe, wenn sie diese brauchen», sagt Patrick Stark, Fachlehrperson für Wirtschaft und Recht am FMZ. Dabei wird den jungen Geschäftsleuten viel Freiraum gelassen. 

Upcycling und Innovation

«Jedes Start-up beginnt mit einem kreativen Prozess», erklärt er. Beim Bestimmen ihres Angebots sind die Schüler relativ frei, und doch soll ihr Produkt gewissen Erwartungen entsprechen: «Wir ermutigen die Lernenden, ihr eigenes, möglichst umweltschonendes, regional und mit regionalen Rohstoffen produziertes Produkt zu entwickeln», so Stark. Auch soll darauf geachtet werden, dass möglichst wenig Abfall bei der Produktion anfällt. Upcycling wird ebenfalls gerne gesehen. «Bereits verwendeten Materialien kann mit Erfolg neues Leben eingehaucht werden, so wie einige Start-ups zum Beispiel Handyhalter aus Duschflaschen oder Lampen aus PET-Flaschen kreiert haben», erzählt der Lehrer.  

Die Lehrpersonen der FMZ Start-up Academy stehen nebeneinander

Die Lehrpersonen Jonas Schumacher (v.l.n.r.), Thibault Hutzli, Suzanna Huber, Patrick Stark und Jörg Lustenberger unterstützen die Schüler beim Führen ihrer Start-ups. Bild: zVg

Überfachliche Kompetenzen, welche sich die Jugendlichen bei Hobbys und Freizeitaktivitäten angeeignet haben, helfen ihnen bei der Ideensuche im Herbst sowie beim Marketing: «Es fällt auf, dass kreative Köpfe und Jugendliche, die zum Beispiel einst Pfadfinder waren oder sich immer noch für ein ähnliches Angebot engagieren, schnell mit innovativen Ideen kommen.» 

Auf eigene Faust

Anhand des Businessmodells Canvas entwickeln die jungen Unternehmer einen Geschäftsplan, stellen ihr Produkt her, üben sich in der Präsentation ihres Projekts und spätestens zu Weihnachten sollen sie ihr Angebot bereits auf den Markt bringen. «Wir motivieren unsere Lernenden, nicht nur an von der Schule organisierten Weihnachtsmärkten ihre Stände aufzustellen, sondern auch an anderen Märkten in der Umgebung teilzunehmen», erklärt der Coach. Durch diese Erfahrung auf dem freien Markt machen die Jugendlichen ihre ersten Schritte als echte Geschäftsleute. 

Damit das schulische Start-up-Programm optimal gelingt und viele wertvolle Erfahrungen ermöglicht, soll es realitätsnah entwickelt und umgesetzt werden. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern der Schule aus der Privatwirtschaft werden die kleinen Unternehmen realistisch eingeschätzt und beurteilt. So überprüft zum Beispiel die Luzerner Kantonalbank (LUKB) die Businesspläne der Start-ups und belohnt das beste Projekt mit dem FMZ LUKB Start-up Award. «Die Kooperation mit der Luzerner Kantonalbank stellt eine sehr wertvolle Gelegenheit für die Lernenden dar, ihre Arbeit von einer unabhängigen Person einschätzen zu lassen und eine professionelle Rückmeldung zu erhalten», sagt Stark.   

Es muss nicht immer harmonisch sein

«Wir haben einen Start-up-Verein von der Schule aus gegründet, der bis heute das Dach für die Schüler-Start-ups bildet. Dieser Verein fungiert quasi als Staat, welcher Subventionen vergibt und Steuern einzieht. Zudem stellt er sicher, dass die Lernenden eine Betriebshaftpflichtversicherung abschliessen», erklärt er. Auch Vorlagen für Businesspläne sowie tiefergehende Ausbildungsprogramme hat die Academy für ihre Schülerschaft entwickelt, damit diese Schritt für Schritt zum unternehmerischen Erfolg gelangen kann. 

Eine Seife von Melfy Soap liegt auf einem Tisch

Das Start-up Melfy Soap hat eine feste Seife in Form von hauchdünnen Blättern entwickelt – perfekt für unterwegs. Bild: Instagram MelfySoap

Ein Team von Lehrpersonen steht den Lernenden während des ganzen Prozesses zur Verfügung und hilft als Coaches nicht nur bei Fragen bezüglich der Unternehmensführung weiter, sondern kann auch bei zwischenmenschlichen Konflikten zwischen Parteien vermitteln. «Soziale Kompetenzen, die bei der Entwicklung eines Start-ups gefragt sind, stellen einen wichtigen Faktor dar, der diese praktische Übung so realitätsnah macht», sagt Stark. 

Unstimmigkeiten im Team können in vielen Bereichen auftreten – bei der Wahl des Produkts, der Arbeitsteilung und selbst auf der Beziehungsebene. Dabei können die Coaches als Mediatoren einspringen, um die Harmonie im Start-up möglichst wiederherzustellen. Solche Konflikte zu erleben und zu lösen, stelle für die Jugendlichen eine wertvolle Erfahrung dar, da solche Situationen in der Geschäftswelt immer wieder auftreten.  

Eine attraktive Präsentation

Weiter werden durch das Programm zahlreiche überfachliche Kompetenzen gefördert, so wie zum Beispiel die Fähigkeit, das eigene Produkt potenziellen Kunden vorzustellen. Dieser Schritt fällt vielen Jugendlichen schwer, doch umso wichtiger ist es, ihn zu wagen. Mit der richtigen Vorbereitung kann die Unsicherheit überwunden und das Selbstvertrauen gesteigert werden. «Wir geben den Schülern Tipps bei der Vorbereitung auf ein solches Verkaufsgespräch, sodass sie wichtige Verkaufsfähigkeiten erwerben können», erklärt der Wirtschaftslehrer. Die Präsentation des Produkts können die Schülerinnen gemeinsam üben, sodass sie bereit sind, einerseits die Vorzüge ihres Produkts attraktiv vorzustellen und auf der anderen Seite auf die Fragen potenzieller Kunden einzugehen. 

Ein DJ steht am Mischpult bei einer Party, organisiert von Chronic Events

Schon seit zwei Jahren ist das Start-up Chronic Events Teil der Luzerner Partyszene. Bild: Instagram Chronic Events

Den Höhepunkt erreicht das Projektjahr jeweils im April, und zwar mit der Verkaufsmesse in der Mall of Switzerland, wo eine grössere Verkaufsfläche als bei den Weihnachtsmärkten zur Verfügung steht. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Jugendlichen schon tiefgründig mit ihrer Marketingstrategie auseinandergesetzt und Coachings auf diesem Gebiet erhalten. Ihre Marketingfähigkeiten können die jungen Unternehmer anschliessend in der Mall of Switzerland beweisen. Mit etwas Glück gehört ihr Marktstand zu den drei schönsten und wird mit dem FMZ Mall of Switzerland Design Award ausgezeichnet. Selbstverständlich motiviert der finanzielle Erfolg. Das Start-up-Programm ist jedoch auch ein pädagogisches Projekt, bei welchem regelmässig eine übergeordnete Reflexion auf Metaebene durchgeführt wird. Dabei geht es darum, dass jedes Team sein Handeln hinterfragt und durch diese Reflexion Ressourcen aktiviert werden. 

In der Regel werden die Start-ups in Form eines Vereins (gemäss Art. 60 ff. ZGB), aber ohne Handelsregistereintrag geführt und nach einem Jahr wieder aufgelöst. Einzelne Unternehmen wurden jedoch verkauft oder weitergeführt. Zum Beispiel hat sich das Start-up Chronic Events, welches seit 2022 in Luzern Partys organisiert, als populärer Veranstalter bewiesen. Inzwischen wird es gänzlich unabhängig von der Schule geführt und obwohl einige Lernende ausgestiegen sind, sind die meisten Personen vom ursprünglichen Kernteam noch immer dabei. Das Start-up Waldseife hat 2022 einen Seifenduft mit charakteristischer Fichtenharznote und Hautverträglichkeitszertifizierung herausgebracht. Und sollte ein Schülerteam mit seinem Start-up nicht den ganz grossen Erfolg erzielt haben, hat es trotzdem zahlreiche Erfahrungen gesammelt, die es auf seinem Berufsweg mitnehmen kann. Dies ist letztendlich wertvoller als der materielle Erfolg. 

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