Das Lila Queer Festival in Zürich feiert Diversität in all ihren schillernden Farben, ausgefallenen Formen und fantasievollen Klängen. Von der queeren Jugendorganisation Milchjugend organisiert, finden Mitte September in der Roten Fabrik verschiedene Arten der queeren Kunst Platz für Ausdruck.
Von Kopf bis Fuss schrill gestylte Drag Queens, gleichgeschlechtliche Paare, die Händchen halten, Gruppen von ausgefallen gekleideten Jugendlichen mit rasierten Köpfen und Piercings, jede Menge Glitzer und das Regenbogenmotiv überall verteilt – das gibt es am Lila Queer Festival zu sehen und zu erleben. Das Festival richtet sich an alle, doch in erster Linie an queere Menschen und bietet vom 15. bis 17. September in der Roten Fabrik in Zürich Platz für verschiedenste Formen der queeren Kunst. Von Performance über Comedy, Drag und Theater bis hin zu Workshops finden junge Besuchende und Zuschauende ab 16 Jahren eine breite Palette in allen Farben des Regenbogens.
Die Veranstaltung, die im September 2017 in Wittnau ihre Premiere feierte, wurde von der grössten queeren Jugendorganisation der Deutschschweiz ins Leben gerufen – der Milchjugend. Diese schafft Räume für Kontakt und Austausch für junge Menschen, die sich mit den heteronormativen Geschlechter-, Sexualitäts- und Beziehungskonzepten nicht identifizieren. Nebst der Zeitschrift «Milchbüechli», der Milchbar und den Milchreisen übers Wochenende gehört eben auch das Lila Queer Festival zum Angebot der Milchjugend. Die Ziele des gemeinnützigen Vereins sind, Vorurteile abzubauen, Unterstützung zu gewährleisten, Gemeinschaft zu schaffen und einfach «falschsexuelle Welten», wie der Slogan der Milchjugend lautet, zu zelebrieren.
LGBTQI+ im Rampenlicht
«Das Lila Queer Festival schafft eine Bühne für queere Menschen, die es in dieser Art ansonsten nicht gibt», sagt Sara Boy, Mitglied der Geschäftsstelle der Milchjugend und Teil des Kommunikationsteams des Festivals. Zwar gibt es queere Filmfestivals wie Queersicht und Pink Apple, bei denen queere Filme auf der grossen Leinwand zu sehen sind. Doch als Festival, das unterschiedliche Sparten der queeren Kunst unter ein Dach bringt, ist das Lila Queer Festival das einzige in der Schweiz.
Queere Kunst unterscheidet sich nicht per se von «herkömmlicher» Kunst, doch werden gewisse Kunstformen wie Drag oder Tanzstile wie Vogue stark mit queeren Menschen assoziiert. Dies nicht zuletzt, weil zahlreiche queere Menschen in diesen Künsten brillieren. Entsprechend ist dieser Bereich der Kunst am Lila Queer Festival stark vertreten, was einen besonders umfangreichen Einblick in die queere Kultur ermöglicht. «Diese fordert ihr Publikum heraus, bestärkt queere Menschen und kritisiert veraltete Denkweisen», erklärt Sara Boy. Doch die Hauptziele des Festivals sind vor allem, den Gästen zu ermöglichen, Spass zu haben, sich authentisch zu zeigen, das Queersein zu zelebrieren und queeren Performenden eine Bühne zu geben.
Helfende Hände gesucht
Damit die heranwachsende Generation nicht zu tief in die Tasche greifen muss, sind die Eintrittskarten zum Non-profit-Festival entsprechend günstig – am Freitag sowie am Samstag kostet der Eintritt 40 Franken, am Sonntag 30 Franken. Das Festival wird gänzlich von Freiwilligen organisiert, und wer sich als Hilfskraft auf der Webseite anmeldet, erhält einen Rabatt von 10 Franken jeweils an dem Tag, an dem der Einsatz stattfindet. Die Milchjugend bemüht sich auch explizit um barrierefreie Zugänglichkeit und stattet das Festival so aus, dass Menschen mit Rollstuhl oder eingeschränkter Mobilität sich selbstständig auf dem Gelände bewegen können.
Am Festival sind im Publikum Erwachsene jeden Alters und jeder sexuellen Orientierung willkommen – in der Regel haben Jugendliche ab 16 Jahren Zutritt, solange die Bar keinen harten Alkohol ausschenkt. «Kinder können am Festival nicht dabei sein», sagt Sara Boy, «auf der anderen Seite wird die obere Altersgrenze mit SeniorInnen hier und dort entschieden angehoben.»
Obwohl in der Schweiz die Akzeptanz gegenüber queeren Menschen immer mehr steigt – zum Beispiel mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Juli 2022 – ist es immer noch etwas Besonderes, queere Performende auf der Bühne oder in den Medien zu sehen. «Es fehlen in jedem Bereich queere Vorbilder, ob im Fernsehen, im Beruf oder in der Kunst», erklärt Sara Boy. Deswegen sind Safer Spaces für queere Menschen umso wichtiger, denn hier werden wertvolle Kontakte geknüpft, neue Erfahrungen gemacht und die eigene Identität erforscht.
Wieso lila?
Der Name des Festivals führt auf den deutschen Song «Das lila Lied» aus dem Jahr 1920 zurück, welcher als die erste Hymne der Homosexuellen gilt. Die wohl berühmtesten Zeilen im Refrain lauten «Wir lieben nur die lila Nacht, die schwül ist, weil wir ja anders als die andern sind».
Woher die Milchjugend ihren Namen hat, ist von Gerüchten umwoben. Eine populäre urbane Legende besagt, dass das Milchbüchlein, aus dessen Redaktion der Verein der Milchjugend entstanden ist, vom Postboten ins Milchkästchen des Postfachs gelegt wurde und daher ihren Namen hat. Das Milchbüchlein war schon immer ein queeres Jugendmagazin, das Themen wie Aufklärung und die sexuelle Orientierung auf eine lockere Weise, gleichzeitig informativ und peppig gestaltet, behandelte. Die Post zu holen sei eine der ersten Aufgaben gewesen, die man als Kind von den Eltern bekommen hat. Entsprechend holten Kinder und Jugendliche auch das Milchbüchlein aus dem Milchkasten, was ein möglicher Grund für die Namenswahl für das Büchlein und später den Verein ist.
Der Slogan der Milchjugend sorgt immer wieder für Verblüffung – «falschsexuelle Welten». «‹Falschsexuell› klingt derogativ, aber auch ‹queer› wurde lange Zeit als Beleidigung verwendet», erläutert Sara Boy. «Durch die Verwendung solcher Wörter durch die queere Gemeinschaft werden sie von queeren Menschen angeeignet und verlieren ihre negative Konnotation.»
Von Ideen zur Verwirklichung
Die Milchjugend hat sich primär zur Aufgabe gemacht, queere Jugendliche bei der Verwirklichung ihrer Ideen und Projekte zu unterstützen. In erster Linie stellt sie jungen queeren Menschen finanzielle und personelle Ressourcen für ihre Vorhaben zur Verfügung und liefert auch direkte Unterstützung für Projekte. Auf diese Weise ermöglicht die Milchjugend die Schaffung von Safer Spaces für queere Menschen, bestärkt queere Jugendliche und gibt ihnen Raum für eigene Gestaltung.
Durch gemeinsame Ziele und dadurch, dass die queeren Jugendlichen oft ähnlichen Vorurteilen und Diskriminierungen in der Familie und in der Gesellschaft ausgesetzt sind, finden sie in der Milchjugend Gleichgesinnte sowie Personen, die ihre Erfahrungen nachvollziehen können. «Die Milchjugend ist zwar keine Anlaufstelle für professionelle Hilfe, gibt aber viele Gelegenheiten für gute Peer-to-Peer-Beratung», sagt Sara Boy.
Trotz der Bemühungen von queeren Organisationsteams ist in der Gesellschaft noch viel zu verändern, bis sexuelle und geschlechtliche Minderheiten genauso akzeptiert sind und zur Norm gehören wie heterosexuelle Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen kurz nach der Geburt zugeschrieben wurde. «Besonders das Thema Transgender wird heute in der Gesellschaft noch stark kritisiert und stellt sich immer wieder als schwierig heraus», so Boy. Wer die queere Szene und queere Menschen unterstützen möchte, kann queere Kunst konsumieren, queere Veranstaltungen besuchen sowie queere Organisationen wie die Milchjugend unterstützen.
Mehr Infos findest du hier.