Seit 25 Jahren auf der Bühne: Francine Jordi feiert ihr Jubiläum mit ihrem neuen Album «Leben». Dabei geht es unter anderem um die grosse Welt der Liebe sowie das Loslassen können. Ausserdem präsentiert der Schlager-Star sein erstes Kochbuch, in dem das eine oder andere Familiengeheimnis verraten wird.
Francine Jordi, am 25. August erschien Ihr neues Album «Leben». Sind Sie auch beim 16. Album vor dem Release noch aufgeregt, wie es bei den Fans ankommt?
Absolut, das Kribbeln ist immer noch genau gleich da. Im Falle von «Leben» umso mehr, da ich viele der Songs mitkomponiert habe. Insgesamt zwei Jahre arbeitete ich an dem Album, da ist man entsprechend gespannt, wie es von den Fans aufgenommen wird.
Wie wichtig sind Ihnen dabei die Stimmen der KritikerInnen?
Ich finde Kritik spannend, solange sie konstruktiv und begründet ist. Entscheidend ist auch, wie neutral der Kritiker oder die Kritikerin ist: Steht er oder sie positiv oder negativ Schlager gegenüber oder eben einfach neutral?
Haben Sie jeweils persönliche Lieblingssongs nach der Produktion eines neuen Albums oder steht dann die Platte als Gesamtprodukt im Vordergrund?
Ich sehe es dann eher als Gesamtprodukt. Zumal es ein Lied gar nicht auf das Album schafft, wenn es mir nicht gefällt. Jedes einzelne Stück auf «Leben» ist mir wichtig und berührt mich.
Mit «Lieder wo für immer sy» beginnt das Album gleich mit einem neuen Mundartsong. Verkörpert dieses Lied das Jubiläum – mit dem Blick zurück auf Stücke, die Sie für immer begleiten werden.
Genau so ist es, es ist eine Art Reminiszenz an Songs wie «Das Feyr vo dr Sehnsucht», «Dans le jardin de mon âme» oder «Träne», die mich teilweise schon seit über 20 Jahren begleiten und die das Publikum auswendig mitsingen kann. Manche Fans erzählen mir, wie sie mich als Kind vor 25 Jahren am Fernsehen beim Grand Prix der Volksmusik sahen – heute sind sie über 30 und haben teilweise selbst Kinder. Solche Anekdoten lassen mich immer wieder staunen und realisieren, wie lange ich schon auf der Bühne stehe.
Eines der Themen auf «Leben» ist die Liebe. Nicht nur bei Ihnen spielt diese eine sehr zentrale Rolle in der Musik, sondern ist es das meistbesungene Thema überhaupt. Warum?
Liebe ist die intensivste Emotion, das stärkste Gefühl, das es gibt und jeder kennt sie, da es so viele Arten von Liebe gibt. Ob es sich um elterliche Liebe handelt, man frisch verliebt ist oder auch enttäuschte, nicht erwiderte Liebe – sie begleitet einen durch das ganze Leben.
Gleichzeitig lässt sich kaum etwas so schwierig in Worte fassen wie die Liebe und was man in diesen Momenten empfindet. Geht das Ihnen beim Schreiben der Lieder auch so?
Die Liebe lässt sich tatsächlich nur schwer beschreiben. Auf der anderen Seite funktioniert sie universell. Das heisst, ich kann eine Situation beschreiben, die alle kennen und jeder hat sogleich ein persönliches Bild vor dem geistigen Auge, ein Erlebnis, das er damit verknüpft. In gewisser Weise funktioniert die Liebe ähnlich wie Musik: Kaum zu beschreiben, dafür fühlt man sie umso stärker.
Viele Ihrer Songtexte behandeln persönliche Themen. Könnten Sie überhaupt die Lieder gleich fühlen, wenn zum Beispiel einfach Geschichten erzählt würden, die nichts mit Ihnen zu tun haben?
Dies habe ich natürlich auch schon gemacht; ich habe nicht nur persönliche Songs im Repertoire. Es gehört zum Beruf als Sängerin dazu, Lieder zu interpretieren. Dies lernte ich nicht zuletzt am Konservatorium in Neuchâtel. Beispielsweise in der Oper kann man die Rolle nicht einfach umschreiben, aber es ist möglich, der Figur eine eigene Note mitzugeben.
Eine der Botschaften auf «Leben» ist, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind und nicht zu hadern. Etwas, was Sie selbst erst lernen mussten im Umgang mit schwierigen Situationen?
Auf jeden Fall. Gelassenheit ist eine Tugend, die man meist erst ab einem gewissen Alter, mit Reife und Lebenserfahrung entwickelt. Als Teenager war ich null gelassen, tadelte mich selber innerlich, wenn ich einen «Fehler» gemacht habe. Dabei ist es wichtig, dass man irgendwann an dem Punkt ankommt, sagen zu können, dass man nichts bereut, weil man immer sein Bestes gegeben hat. Bei mir ist dies glücklicherweise mittlerweile der Fall. Ist man im Frieden mit sich selbst, kann man Neues annehmen, was wichtig ist, denn der Lernprozess ist im Leben nie abgeschlossen. Dies beeindruckt mich auch bei meinen Eltern sehr: Sie sind immer noch wissbegierig und offen, Neues zu lernen.
Wie wichtig ist es, das Leben nicht zu ernst zu nehmen, sich daran zu erinnern, dass wenn irgendwo eine Türe zugeht, eine andere aufgeht?
Eines meiner Mottos lautet, dass man die Hände freimachen muss, um die Geschenke des Lebens empfangen zu können. Das Leben ist ein Fluss, es geht immer weiter, alles verändert sich. Nur wer den Ballast der Vergangenheit ablegen kann, kann sich auf Veränderungen einstellen.
Im Lied «Tausend Leben» geht es genau darum: Mit etwas oder jemandem abschliessen und loslassen zu können.
Genau, wer mit etwas nicht im Frieden abschliessen kann, hat die Hände nicht frei. Egal, worum es dabei geht. Ob es eine Beziehung, eine Freundschaft oder auch etwas Materielles ist.
Was hilft Ihnen persönlich in schwierigen und herausfordernden Momenten, sich nicht unterkriegen zu lassen und positiv zu bleiben?
Mir zu sagen, dass ich aus einer Sache kein Drama machen soll, wenn es gar nicht wirklich einen Anlass dafür gibt. Ich versuche dann, die Sache möglichst neutral einzuschätzen, ob es wirklich so dramatisch ist und wenn etwas maximal sechs Monate später mich nicht mehr tangiert, kann es nicht so schlimm sein.
Wichtig ist auch, sich an den kleinen Dingen erfreuen zu können. Was ist es in Ihrem Fall?
Es fängt schon am Morgen an, wenn mein Hund Theo mich mit seiner nassen Schnauze wecken kommt – ich könnte mir kaum einen schöneren Start in den Tag vorstellen. Zudem bin ich ein ausgesprochener Naturmensch, kann mich beispielsweise an einem Himugüegeli erfreuen, das auf dem Tisch landet.
Haben Sie das Gefühl, dass die Eigenschaft, das Positive zu sehen statt sich ausschliesslich auf das Schlechte zu konzentrieren, vielen Menschen vermehrt abgeht?
Das ist das Gesetz der Energie: Das, worauf du dich konzentrierst, kommt auch zurück. Fokussierst du dich nur auf das Negative, wirst du auch Negatives anziehen. Ich persönlich suche in allem das Positive, halte mich in schwierigen Momenten daran fest, denn etwas, was nur schlecht ist, gibt es nicht.
Es war für Sie nicht nur aufgrund Ihres neuen Albums ein aufregender Sommer, sondern haben Sie Ende Juli auch ein Kochbuch mit Ihren liebsten Familienrezepten veröffentlicht: «Schnell & Traditionell – Meine liebsten Familienrezepte». Was war die Motivation dafür, ein solches Kochbuch zu veröffentlichen?
Es ist nicht so, dass ich das von Anfang an wollte, als mich der Verlag zu Beginn wegen eines Kochbuchs anfragte. Ich war skeptisch, denn andere können doch viel besser kochen als ich. Monate später sah ich das handgeschriebene Kochbüchlein meiner Grossmutter und hatte plötzlich eine Idee: Es wäre doch schön, ein Drei-Generationen-Kochbuch zu produzieren mit Rezepten von mir, meiner Mutter und meiner beiden Grossmütter. Jedes darin enthaltene Menü hat etwas mit unserer Familiengeschichte zu tun und es stehen zusätzliche Geschichten zum Rezept. Das Kochbuch enthält das eine oder andere gutgehütete Familien-Kochgeheimnis, das nun verraten wird.
«Schnell und traditionell» – würden Sie so auch Ihre Kochroutine zusammenfassen?
Das ist genau mein Ding, ich mag einfache Rezepte, die wenig Aufwand bedeuten und trotzdem eine Gaumenfreude bieten. Ausserdem schaue ich oftmals, was ich noch im Kühlschrank habe und wie ich es verwerten könnte. Ich mag es nicht, Lebensmittel wegwerfen zu müssen. Dieser Ansatz widerspiegelt sich auch in manchen Rezepten in meinem Kochbuch.
Wie haben Sie überhaupt die Zeit gefunden, ein Kochbuch zu erstellen?
Der Aufwand war tatsächlich recht gross und ich arbeitete rund ein dreiviertel Jahr mit meiner Mutter daran. Wir mussten sämtliche Rezepte nachkochen. Nicht nur, um sie illustrieren und fotografieren zu können, sondern auch um die exakten Mengenangaben herauszufinden, denn meine Mutter und meine Grossmütter arbeiteten selten damit, sondern meist nach dem berühmten «Handgelenk mal Pi». Es war jedoch eine sehr schöne Arbeit, die mit viel Spass und gemeinsam verbrachten Stunden mit meiner Mutter in der Küche verbunden war.
Wie viele der Rezepte enthalten Zungenbrecher für alle Nicht-DeutschschweizerInnen?
Es sind schon ein paar dabei wie die Fotzuschnitte oder Stünggu-Torte. Aber das Gute ist, dass sie es ja nicht aussprechen, sondern lediglich kochen können müssen.
Sie feiern heuer Ihr 25-Jahr-Bühnenjubiläum. Richtig begonnen hat alles 1998 mit dem Sieg beim Grand Prix der Volksmusik. Was würden Sie Ihrem Ich von damals mit auf den Weg geben?
Vermutlich würde es mein 21-jähriges Ich eh nicht glauben, egal, was ich ihm erzählte, sondern müsste die Erfahrungen selbst machen. Aber ich würde ihm wohl den Rat geben, Freude dabei zu haben, was man macht und dies mit Liebe und Leidenschaft zu tun. Ich bin sehr privilegiert, beruflich das ausüben zu können, was ich liebe.
Sie sind Ende Mai im Rahmen Ihres Jubiläumskonzerts in Aarau mit einem Orchester aufgetreten. Werden Sie in Zukunft öfter mit klassischen Musikerinnen und Musikern zusammenarbeiten?
Dies ist immer auch eine Kostenfrage und sehr herausfordernd, was die Organisation anbelangt. Für den Moment handelt es sich um ein einmaliges Projekt, doch für die Zukunft schliesse ich keinesfalls aus, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Denn der Abend war wunderschön und sehr emotional, da meine Lieder quasi ein klassisches Kostüm erhielten und es bezüglich Setlist ein Querschnitt durch meine ganze Karriere und sämtliche Stilrichtungen war, in denen ich mich schon bewegt habe. Es war sozusagen ein echtes Jordi-Konzert.
Stichwort Setlist. Wie viel Zeit investieren Sie jeweils in die Zusammenstellung dieser? Oder gibt es manchmal auch von Veranstalterseite gewisse Vorgaben diesbezüglich?
Das Gute ist, dass vertraglich festgehalten ist, dass nur ich entscheide, welche Lieder ich bei einem Auftritt singe. Ich stelle für jedes Konzert wieder ein neues Programm zusammen, wobei das Bauchgefühl entscheidend ist. Natürlich spielt auch die Erfahrung mit rein, welche Songs bei welchem Publikum am besten ankommen.
Wissen Sie, wie viele Auftritte Sie pro Jahr haben?
Um die 120.
Könnten Sie sich vorstellen, die Zahl in den nächsten Jahren zu reduzieren, zum Beispiel was Auftritte bei geschlossenen Veranstaltungen anbelangt?
Dies gibt mir mein Körper vor – abhängig davon, wie viele Auftritte er leisten mag, reguliert sich diese Zahl automatisch. Ich nehme mir nach einer intensiven Phase auch mal einen Monat lang eine Auszeit. Danach fühle ich mich manchmal fast schon «unterkonzertiert» und ich sehne mich danach, endlich wieder auf der Bühne zu stehen.
Zur Person Francine Lehmann, besser bekannt als Francine Jordi, wuchs in Richigen bei Bern auf und stammt aus einer musikalischen Familie. Ihren ersten Bühnenauftritt hatte sie im Alter von zehn Jahren. Gemeinsam mit ihren Eltern Margrit und Franz sowie den beiden Schwestern Nicole und Tanja trat sie mit Jodelliedern und Schweizer Volksmusik auf und gründete später ihre eigene Formation Gospel Four. Der ausgebildeten Musikerin mit klassischem Gesang- und Klavierstudium gelang der Durchbruch 1998, als sie mit 21 Jahren den Grand Prix der Volksmusik gewann. 2002 vertrat die Multi-Gold- und Platin-Künstlerin die Schweiz beim Eurovision Song Contest. Die 46-Jährige war von 2002 bis 2011 mit dem ehemaligen Radrennfahrer Tony Rominger in einer Partnerschaft. Von 2011 bis 2012 war sie mit dem Mundartsänger Florian Ast liiert. Ihr gemeinsames Album «Lago Maggiore» stieg 2011 sogleich auf Platz 1 der Schweizer Hitparade ein, nach einem Jahr folgte die Trennung. Heute lebt Jordi als Single mit ihrem Hund Theo. Im April 2018 erklärte sie, zuletzt unter einer Brustkrebserkrankung gelitten zu haben, die sie nun überstanden habe. Am 25. August veröffentlichte die Bernerin anlässlich ihres 25-Jahr-Bühnenjubiläums ihr 16. Album «Leben». Dazu publizierte sie Ende Juli ihr erstes Kochbuch «Schnell & Traditionell – Meine liebsten Familienrezepte». Im Winter wird Francine Jordi zum neunten Mal die Eurovisionssendung «Die grosse Silvestershow» moderieren, die am 31. Dezember ausgestrahlt wird.