Im Schnitt rund 700‘000 Zuschauerinnen und Zuschauer lockt «Happy Day» fünfmal pro Jahr vor die TV-Bildschirme und gehört damit zu den beliebtesten SRF-Formaten. Durch die Sendung führt seit der ersten Ausgabe Röbi Koller – der Moderator erklärt das Erfolgsgeheimnis der Samstagabendshow und wie er es schafft, sich von den Emotionen nicht übermannen zu lassen.
Röbi Koller, wir sind beide in der Medienbranche tätig und wissen: Schlagzeilen und Geschichten negativer Natur verkaufen sich besser und generieren mehr Aufmerksamkeit als Feel-Good-Stories. Trotzdem gehört «Happy Day» seit Jahren zu den erfolgreichsten Sendungen von SRF. Warum?
Good News alleine sind tatsächlich langweilig. Es braucht eine Geschichte und einen emotionalen Wert für die Rezipienten. Genau dies macht unsere Sendung aus: Es dreht sich zwar ums Glück, doch geht dem eine Geschichte voran, die auch Leid und Entbehrung enthält. Dieser Kontrast ist ein zentrales Element von «Happy Day». Wichtig ist auch, dass man diesen Personen ihr Glück gönnen mag. Glücklicherweise erhalten wir sehr wenige Neidnachrichten und -kommentare. Die überwältigende Mehrheit mag der betroffenen Person oder Familie diesen Moment des Glücks gönnen.
Dies hängt bestimmt auch damit zusammen, dass es sich dabei oftmals um Menschen dreht, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens standen.
«Oftmals» ist in diesem Zusammenhang der richtige Ausdruck, denn es ist nicht Voraussetzung, krank zu sein oder einen Schicksalsschlag erlitten zu haben, um Teil von «Happy Day» zu werden. Wir sind auch froh über Wünsche, bei denen es einfach etwas zu lachen gibt. Bei einer zweieinhalbstündigen Sendung kannst du nicht nur von Leid erzählen, weswegen wir auch Showacts integrieren. Es geht um Emotionen und diese umfassen nicht bloss Tränen der Trauer, sondern auch der Freude und des Lachens.
Eines Ihrer Erfolgsgeheimnisse ist, dass Sie jede und jeden mit Respekt behandeln. Ist dies etwas, was heute vielerorts verloren zu gehen droht? Gerade, wenn man sich teilweise den Umgangston in den sozialen Medien anschaut.
Was das anbelangt, nehmen wir ein Stück weit eine Vorbildfunktion ein; wir zeigen, dass man alle Menschen mit Respekt behandeln kann. Dies ist Teil der «Happy Day»-DNA und dazu gehört ebenso, dass wir die Leute auch vor sich selbst schützen. Manche würden noch viel mehr von sich erzählen, doch ist dies nicht immer ratsam. Dieser Respekt zahlt sich nicht nur in Bezug auf die Einschaltquoten aus, sondern auch was unseren Ruf anbelangt, den wir uns in den 16 Jahren erarbeitet haben. So bleiben wir regelmässig mit den Menschen nach der Sendung noch in Kontakt, erhalten unter anderem oftmals Heirats-, Geburts- und Todesanzeigen.
Zurück zum rauen Umgangston. Kann man als Individuum etwas dagegen tun oder entspricht dies schlicht dem aktuellen Zeitgeist?
Man kann immer etwas tun. Man kann mit einer Haltung hinstehen und sich weigern, mitzumachen. Die «Happy Day»-Community hat inzwischen weitgehend ähnliche Werte wie wir. Im Falle eines unangebrachten oder sogar Hass-Kommentars bekommt der Übeltäter einiges von unseren Fans zu hören. Die Sache regelt sich von selbst.
Ob Sie als «Happy Day»-Moderator Menschen einen Wunsch erfüllen oder als Comundo-Botschafter auf Schicksale und Lebensumstände treffen, die oftmals tragisch sind – sie müssen eine gewisse Distanz wahren können und dürfen das Leid nicht zu nah an sich heranlassen. Mussten Sie dies erst lernen?
Es ist vermutlich mein Naturell, dass ich mich eher an der Oberfläche bewege. Was auch der journalistischen Arbeitsweise entspricht, da sich der Journalist in verschiedensten Themenfeldern bewegen muss, was mit einer gewissen Oberflächlichkeit einhergeht. Bei der Spezialistin sieht es anders aus; sie taucht tiefer in die Materie ein.
Ist Oberflächlichkeit in diesem Zusammenhang überhaupt negativ zu verstehen?
Natürlich ist der Begriff grundsätzlich negativ konnotiert, doch kann es in diesem Zusammenhang tatsächlich hilfreich sein. Denn so bin ich fähig, durch die Sendung zu führen und begebe mich nicht mit den Betroffenen ins Tal der Tränen. Dem Publikum wäre damit nämlich nicht gedient. Wenn mir diese Abgrenzung nicht gelänge, würde ich meinen Job nicht richtig machen.
Gibt es trotzdem Schicksale und Lebensgeschichten, die Sie im Anschluss an die Dreharbeiten tagelang mit sich rumtragen und an die Sie immer wieder denken?
Absolut, immer wieder. Sich abgrenzen heisst nicht, dass es einem nicht nahegeht. Aber während einer Aufnahme muss ich in meiner Rolle als Moderator bleiben und weiter durch die Sendung führen. Es gibt jedoch Schicksale, an die ich mich immer wieder zurückerinnere. So beispielsweise an die Geschichte einer schwerkranken Frau, die verstarb, noch bevor die Sendung ausgestrahlt wurde.
Sie haben mittlerweile viel Erfahrung, was das Miterleben von starken Emotionen anbelangt. Kann sich diesbezüglich jemals eine Routine entwickeln?
Es ist jedes Mal sehr berührend und immer wieder eine neue Situation mit anderen Beteiligten. Viele Überraschungen drehen wir innerhalb eines Drehtags ab. Begleiten wir Personen hingegen ins Ausland, umfassen die Dreharbeiten mehrere Tage, wodurch man sich besser kennenlernt und einem die Geschichten noch nähergehen.
Lernen Sie nach so vielen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen trotzdem immer noch neue Seiten des Menschen kennen?
Immer wieder, jedes Individuum ist anders. Natürlich wiederholen sich manche Muster; zum Beispiel, wie Menschen mit bestimmten Krankheiten umgehen. Doch ist das A und O, dass man neugierig bleibt und aufpasst, nicht abgeklärt oder abgebrüht zu werden. In meinem Job darf dies nicht passieren, denn ansonsten leidet die Glaubwürdigkeit darunter. Ich bin ein Mensch, der grundsätzlich neugierig ist, da muss ich mich zu nichts zwingen. Ich freue mich auf jede Begegnung und darauf, Neues, Überraschendes zu erleben.
Plus kann sich in Ihrem Beruf gar kein Alltagstrott entwickeln.
In der Tat nicht. Klar, der Moment, in dem ich an einer Tür klingle, habe ich mittlerweile schon oft erlebt und entsprechend bin ich dabei nicht mehr gleich nervös wie zu Anfangszeiten. Doch ist trotzdem Druck da, denn dieser Moment der Überraschung lässt sich nicht wiederholen.
Entspricht es Ihren Interessen, Sendungen zu moderieren, in denen es um Menschen und ihre Geschichten geht oder hat sich dies eher ergeben und Sie hätten auch in einem anderen Bereich als Moderator landen können?
Dies wäre schon möglich gewesen, doch spielt das Leben nicht immer so, wie man es sich vorstellt. Von 1996 bis 2002 moderierte ich wöchentlich «Quer». Die Sendung hat mich geprägt und auch dort ging es um Menschen und Schicksale – nur verfolgten wir einen analytischeren Ansatz, währenddem wir bei «Happy Day» auf Überraschungen setzen. In einer Sportsendung hätte ich mich allerdings nie gesehen, da fehlt mir schlicht das Interesse. Ich bin froh, dass ich sowohl mit «Quer» als auch mit «Happy Day» habe Sendungen moderieren dürfen, die es vorher noch nicht gab und die auf meine Fähigkeiten und Wünsche zugeschnitten wurden.
Könnten Sie sich vorstellen, sich noch an ein neues Sendeformat zu wagen?
Warum nicht, Talks wären beispielsweise eine Möglichkeit. Das ist allerdings nichts Neues, es ist ein genauso simples wie zeitloses Konzept: Zwei Leute sitzen zusammen und reden miteinander. Bis vor Kurzem moderierte ich «Musik für einen Gast» auf Radio SRF 2 Kultur – ein grossartiges Format. Jemanden über die Musik, die er hört, kennenzulernen, ist extrem spannend. Eine persönliche Playlist sagt sehr viel über das Gegenüber aus.
Wenn wir schon bei der Musik sind. Sie moderieren auch die «Dylan Talks», im Rahmen derer Sie mit einem Gast über die Musik und das Wirken von Bob Dylan sprechen. Ein Herzensprojekt, das Sie sich abseits der grossen Aufmerksamkeit gegönnt haben?
Zweifellos – es ist mein erstes Pensionsprojekt, wurde ich vergangenen November doch 65. Ich verdiene auch nichts daran. Für jede Folge lade ich einen Gast ein und spreche mit ihm über Bob Dylan; plus ist ein Musiker anwesend, der praktisch jedes Dylan-Lied spielen kann und bestimmte Songs anspielt. Ich bin ein grosser Dylan-Fan und habe mir gerade kürzlich für sündhaft viel Geld ein Ticket gekauft, um ihn in Montreux live zu sehen und hören.
Lagen solche Nebenprojekte in der Vergangenheit zeitlich gar nicht drin?
Dies ist so, ja. Ich habe zeitlich mehr Luft als auch schon. Lange musste ich auch jene Projekte annehmen, die aus finanzieller Sicht Sinn machten.
Ist entsprechend auch Ihr Terminkalender weniger voll als noch vor 20 Jahren?
Absolut. Teilweise schaue ich mir meinen Terminkalender von vor 10 Jahren an und staune. Ich hatte zeitweise ein unglaubliches Pensum mit mehreren Fernsehsendungen sowie privaten Veranstaltungen, die ich moderierte. Ich hoffe, dass ich gesundheitlich keine Schäden davongetragen habe. Aber irgendwie ging es immer. Es ist sicherlich nicht mein Ziel, bis 80 noch voll durchzuarbeiten und ich forciere auch keine privaten Aufträge mehr – doch habe ich auch nicht vor, gar keine Projekte mehr zu verfolgen.
Zudem wäre es für Sie ein Leichtes, irgendwo beispielsweise als Keynote Speaker aufzutreten.
Ja, wobei man dies auch aktiv bewerben muss. Die Leute vergessen einen schnell und es gibt mittlerweile so viele Moderatorinnen und Moderatoren, unter anderem durch Social Media gefördert. Es sind auch jene am präsentesten, die in den sozialen Medien aktiv sind. Ich bin in diesem Bereich «old school», denn ich kümmere mich wenig darum.
Sie sprechen die Verbindung zwischen Social Media und dem Moderationsberuf an. Ist letzterer aufgrund der sozialen Medien durchlässiger geworden? Viele kommen über Social Media zu einem Moderationsjob, doch droht man aufgrund der Fülle auch schnell wieder von der Bildfläche zu verschwinden.
Der Punkt ist: Social Media ist in der Regel eine sehr ichbezogene Welt. Aber: Nicht jeder Moderationsjob ist so egozentriert. So zeige ich in meinen Sendungen jeweils auf andere Menschen, stelle diese in den Fokus und nicht mich selbst. Das Ego alleine reicht für den Erfolg sicher nicht. Zentral sind drei Elemente: Talent, Erfahrung und Fleiss. Man muss stets an sich arbeiten, optimieren und dranbleiben. Es ist immer ein Prozess und nach der Sendung ist vor der Sendung.
Ausserdem gilt es, die eigene Motivation hochzuhalten. Auch den ganz grossen Namen des Showgeschäfts merkt man an, wenn sie eine gewisse Lustlosigkeit an den Tag legen.
In solchen Momenten besteht die Gefahr, die Fehler woanders zu suchen und zu lamentieren, weil man immer weniger Budget zur Verfügung hat. Die Kunst, mit weniger Ressourcen eine gleich gute Sendung hinzukriegen, gilt es zu beherrschen in der Welt des Fernsehens.
Die ichbezogene Welt widerspricht dem Grundgedanken der Empathie. Diese bildet eine Grundvoraussetzung, um sich mitfreuen zu können und somit für das Gelingen von «Happy Day». Gilt es die Empathie wieder aktiv zu fördern?
Nicht überall, in einer Late-Night-Show, in der es darum geht, satirisch-bissig zu sein, ist nicht primär Empathie gefragt. In vielen Gefässen ist dies jedoch tatsächlich gefragt – selbst als Tagesschau-Moderatorin.
Sie erfüllen im Rahmen von «Happy Day» unzählige Wünsche. Welche Wünsche haben Sie?
Ich sage immer, am schönsten wäre, wenn der Tag 30 Stunden oder die Woche 20 Tage hätte. Ernsthaft: Eigentlich sind meine Wünsche banaler Natur: Dass es mir und meinen Liebsten gut geht und sie gesund bleiben. Und selbstverständlich beschäftigen mich auch die grossen Themen: Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt wären wünschenswerte Ziele. Wenn ich beispielsweise für Comundo nach Kenia reise und die dortigen Lebensumstände sehe und gleichzeitig im Hinterkopf habe, dass unser Wohlstand immer auf Kosten anderer geht, lässt mich dies nicht kalt. Diese Widersprüche muss man irgendwie aushalten, sonst droht man daran zugrunde zu gehen. Und man kann im Kleinen daran arbeiten, einen Beitrag zu leisten.
Bedauern Sie es, wenn beispielsweise bei «Happy Day» die Leute materielle Wünsche formulieren?
Nein, es gibt genügend Menschen, denen es schlecht geht und denen zum Beispiel ein neuer Rollstuhl oder eine renovierte Wohnung das Leben enorm erleichtert. Für sie kann das ein grosser Mehrwert sein.
Sie sind weitgereist. Gibt es Regionen oder Länder, die Sie unbedingt noch bereisen möchten?
Die halbe Welt (lacht). Ich bin recht regelmässig in Afrika und Latein- wie Nordamerika unterwegs gewesen. Im nahen und fernen Osten habe ich hingegen nur vereinzelte Orte schon besucht. Es gäbe noch viel zu entdecken, doch dafür reicht ein Menschenleben nicht, was auch ok ist. Ich trauere auch keiner Region nach, die ich nicht werde bereisen können.
Verfolgen Sie Ihre Reisetätigkeiten das ganze Jahr über?
Privat reise ich heute auf jeden Fall weniger als früher. Seit einigen Jahren besitze ich ein Ferienhaus in Braunwald GL. Eine kleine Oase, die so nahe liegt, ist ein echter Luxus und da rücken die Reisen ins Ausland automatisch etwas in den Hintergrund. Als «Happy Day»-Moderator, Comundo-Botschafter und Begleiter von kommerziellen Reisen habe ich ausserdem beruflich gleich drei Reisemöglichkeiten respektive -verpflichtungen.
Zur Person Röbi Koller (65) und wuchs in Lausanne, Genf, Neuenburg, Cham und Zug auf. Er studierte Germanistik an der Universität Zürich und begann seine Moderationskarriere 1981 bei Radio 24. 1988 stiess er zu SF DRS, wo er bei SRF 3 bis 1994 die Morgensendung «Vitamin 3» moderierte. Von 1996 bis 2002 führte er auf SF 1 durch «Quer». Zwischen 2004 und 2009 moderierte er «Persönlich» auf DRS 1 und bei SF 1 war er bis 2011 beim «Club» dabei. Bis 2022 moderierte Röbi Koller auf SRF 2 zudem «Musik für einen Gast». Heute arbeitet er als freischaffender Moderator, Autor und Journalist und moderiert im Schweizer Fernsehen die Samstagabendshow «Happy Day». Seit Anfang Jahr unterhält er mit den «Dylan Talks» eine Gesprächsreihe, im Rahmen derer er in jeder Folge eine Persönlichkeit einlädt, um über Bob Dylan zu sprechen. Die nächste Ausgabe findet am 30. August im La Cappella in Bern mit Mundartsänger Tinu Heiniger statt. Koller veröffentlichte mehrere Bücher: 2007 «Kochen mit Röbi Koller – Rezepte und Tipps von Prominenten und Spitzenköchen» sowie «Balance zwischen Berg und Alltag», ein Porträt über den Berner Bergsteiger Stephan Siegrist. 2011 erschien «Dr. Nils Jent – Ein Leben am Limit» und 2017 seine autobiografischen Aufzeichnungen «Umwege – Von Höhenflügen, Abstechern und Sackgassen», wofür er unter anderem zurück zu seinen orientalischen Wurzeln in der Türkei ging. Als ehrenamtlicher Comundo-Botschafter engagiert sich Röbi Koller für benachteiligte Menschen weltweit. Er lebt mit seiner Frau in Zürich und hat zwei Töchter aus erster Ehe.