Wer trägt die tatsächlichen Kosten beim Onlinehandel und wer ist bereit, mehr Geld auszugeben, um die Umwelt zu schützen? Das Zuger Unternehmen Paygreen will mit einer eigenen Bezahlmethode dafür sorgen, dass Onlineshops zukünftig klimafreundlicher werden.
Die Schweiz shoppt gerne und vor allem viel online. Die Pandemie wirkte für das Kaufverhalten der KonsumentInnen wie ein Brandbeschleuniger. Gemäss der jährlichen Onlinehändlerbefragung der ZHAW wuchsen 9 von 10 Schweizer Onlineshops seit Anfang 2020, inklusive zahlreicher Neukunden (51 Prozent der Shops) und einer erhöhten Bestellfrequenz (39 Prozent). So konnten 2022 14 Milliarden Franken im Onlinehandel umgesetzt werden, 2019 waren es noch 10,3 Milliarden. Dadurch entsteht nicht nur mehr Arbeit für die Zulieferer, sondern auch mehr Verpackungsmüll und höhere Lieferkosten, welche sich nicht nur im Versandpreis widerspiegeln.
Dabei ist das Umweltbewusstsein der Kundinnen und Kunden ebenso gestiegen wie ihr Onlinekonsum. So sind laut einer Studie des Logistikunternehmens Seven Senders 91 Prozent der SchweizerInnen dazu bereit, beim Onlineshopping Kompromisse zugunsten der Umwelt einzugehen – deutlich mehr als bei den Onlinehändlern. Und auch wenn der Ruf des digitalen Versandhandels durch Rücksendungen und Paketfluten etwas gelitten hat, der stationäre Handel verbraucht in vielen Fällen doch mehr CO2 – je nach Produkt und Anfahrtsweg der Konsumierenden.
Heute setzen vor allem grosse Anbieter auf CO2-Kompensationszahlungen oder bieten dem Kunden einen langsameren und durchdachteren Versand an, damit am Ende nicht fünf kleine Pakete im Briefkasten landen. Die CO2-Kompensation ist eine Leistung, die von den Kundinnen erbracht wird. Mehr bezahlen für das gute Gewissen also. Wobei meist nur der Transportweg grob vergolten wird und nicht etwa die tatsächlichen Produktionskosten eines Laptops. Und je nach Sektor nutzen unterschiedlich viele Kunden das Angebot: Während die Kompensation in der Flugbranche extrem unbeliebt ist, waren es beim Branchenriesen Digitec Galaxus zuletzt immerhin 12 Prozent der Kundinnen, die freiwillig einen CO2-Aufschlag bezahlten. Das Geld fliesst über eine externe Firma in Klimaschutzprojekte, etwa in die Wiederaufforstung von Wäldern.
Sparen für den Klimaschutz
Das Umweltbewusstsein der KundInnen in Ehren, aber lässt sich die Klimakatastrophe bekanntlich leider nicht in unseren eigenen vier Wänden – beziehungsweise durch das Individualverhalten – verhindern. Hier müssen grössere Hebel in Bewegung gesetzt werden. Und im Falle des Onlineshoppings müssen auch die Händler aktiv werden und von der Produktion über die Lieferkette bis zu den EndkonsumentInnen alles genau unter die Lupe nehmen.
Einen Ansatz dafür möchte das Zuger Unternehmen Paygreen etablieren. Das ehemalige Start-up mit Sitz in Rotkreuz bietet eine Bezahlmethode für Onlinehändler, bei der besonders ökologische Shops weniger Gebühren für eine Transaktion zahlen müssen. Dafür erstellt Paygreen eine ausführliche Analyse der CO2-Bilanz des Unternehmens, welche dann jährlich erneuert wird. Ein Grossteil der Verantwortung wird dabei von den KundInnen an die Versandhändler übertragen. «Die KundInnen kostet es nichts und sie tun gleichzeitig etwas für die Umwelt», erklärt Paygreen-CEO Roman Odermatt.
Paygreen war bei der Gründung 2020 bereits sein drittes Start-up. Nach der Entwicklung von Prototypen, Testphasen und der Berechnung der Ökobilanzierung startete Paygreens gleichnamige Bezahlmethode im August 2022 in den ersten Onlineshops. Die Idee dahinter kam Odermatt, als er in einem Berner Bioladen mit seiner Kreditkarte bezahlte und an die hohen Gebühren (4 Prozent) der Transaktion für den Laden erinnert wurde. «Es ist so, dass uns CO2 eigentlich etwas kostet, aber man kann es momentan grösstenteils gratis emittieren und das ist falsch», erklärt er. Ökologische Unternehmen sollten laut ihm auch finanziell davon profitieren, dass sie sich am Kampf gegen den Klimawandel beteiligen. Ebenso sollen Unternehmen beim Weg zur Klimaneutralität unterstützt und mit Anreizen gelockt werden.
Paypal war gestern
Momentan ist Paygreen erst in sechs Schweizer Onlineshops vertreten. Im Schnitt kommt man dort aber bereits auf einen Marktanteil von 15 Prozent, womit man den direkten Konkurrenten Paypal in diesen Shops hinter sich lassen konnte. Derzeit sind alle Partner noch mit dem Label «Climate Members» ausgezeichnet. Das bedeutet, dass die Händler eine erste Analyse ihres CO2-Verbrauchs von Paygreen erhalten haben und sich aktiv dafür einsetzen, diesen zu reduzieren. Erst im zweiten Jahr ist es möglich, eines der beiden höheren Labels zu erreichen. «Climate Visionaries» verbrauchen deutlich weniger CO2 als der Branchendurchschnitt, während «Climate Pioneers» beinahe klimaneutral arbeiten.
Die ersten Neubewertungen für die Partnershops stehen nach dem Sommer an, da Paygreens Bezahlmethode erst 2022 online ging. Die Transaktionsgebühren sollen sich nach der zweiten Ökobilanzierung zwischen 0,9 und 6 Prozent bewegen – je nach CO2-Verbrauch. Aktuell liegen sie noch bei allen Partnern bei 2,5 Prozent. Wenn ein Unternehmen also nicht genug für die eigene Klimabilanz unternimmt, muss es am Ende mit höheren Gebühren leben oder auf das Paygreen-Label verzichten.
Bäume pflanzen und Zukunftsmusik
Für die Entwicklung der Werkzeuge für die Unternehmensanalyse arbeitete man im Rahmen einer Innosuisse-Studie mit Professor Christoph Hugi von der Fachhochschule Nordwestschweiz zusammen, der unter anderem zu den Themen Nachhaltigkeit und Entwicklung forscht. Berechnet werden dabei die direkten Emissionen, Lieferanten, Transport und Materialien. «Für all diese Angaben haben wir eine Datenbank im Hintergrund, welche die CO2-Werte hoch- und ausrechnet», erklärt Odermatt. Anschliessend werde der Wert mit dem Branchendurchschnittswert verglichen. «Und dann machen wir durch diese Vergleiche Vorschläge, wie die Unternehmen ihren CO2-Fussabdruck verkleinern können.»
Letztendlich soll durch Paygreen so tatsächlich CO2 eingespart werden. Ein entscheidender Unterschied zur CO2-Kompensation, welche Anfang des Jahres in die Kritik geraten war durch angeblich überbewertete CO2-Zertifikate. «Wir haben keine Anreize für Greenwashing und haben die Möglichkeit, effektiv zu messen», erklärt Odermatt. Zudem verdient Paygreen nicht direkt an der Vergabe von Labels. Die Geschäftskosten deckt man durch die Transaktionen. Ganz ausschliessen tun sich Paygreen und die Klimakompensation dann aber doch nicht. «Es gibt auch bei uns ein Belohnungssystem, wir pflanzen für jede Transaktion einen Baum», so Odermatt. Ein kleiner zusätzlicher Anreiz, der gut bei den KundInnen ankommt und zudem eine Überbrückung darstellt, bis ein Shop seinen CO2-Verbrauch auch wirklich reduziert.
Langfristig möchte man sich in Rotkreuz nicht nur auf die Onlineshops beschränken. 2025 will man auch Läden in der «realen Welt» analysieren und bewerten. Auch eine eigene App oder Karte zum Bezahlen sind genauso denkbar wie eine Zusammenarbeit mit einem bestehenden Zahlungsanbieter. So gehört etwa der Twint-Gründer Thierry Kneissler zu den Beratern von Paygreen. Kurzfristig möchte das Unternehmen bis Ende des Jahres in 50 Onlineshops vertreten sein. «Es wird auch weiterhin konsumiert werden. Wir müssen einfach einen Weg finden, damit umzugehen und Produkte CO2-neutraler zu gestalten», sagt Odermatt. Dass die Kunden in diesem Fall tatsächlich mit ihrem Portemonnaie abstimmen können, zeigt eine Studie von Deloitte: Schon heute kauft ein Drittel der Kunden nicht mehr in Onlineshops ein, wenn sie Bedenken bei der Nachhaltigkeit haben – Tendenz steigend.