Lange Zeit genoss der Frauenfussball im SC Cham nicht den höchsten Stellenwert und wurde eher stiefmütterlich behandelt. Doch dies hat sich mittlerweile geändert. Unter anderem soll eine neue Mannschaft dafür sorgen, dass die Juniorinnen dem Verein möglichst treu bleiben.
87.192 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten diesen Sommer das Finale der Fussball-EM der Frauen im Wembley-Stadion in London. Die englischen Gastgeberinnen setzten sich mit 2:1 n.V. gegen Deutschland durch. Die DFB-Frauen verzeichneten dabei mit durchschnittlich 17,9 Millionen Zuschauern bei der Live-Übertragung in der ARD einen Turnierrekord.
Es ist dies nur ein Beispiel, das unterstreicht, wie der Frauenfussball in den vergangenen Jahren in Sphären vorgedrungen ist, die bis vor wenigen Jahren noch weit weg schienen. Zum Vergleich: Das EM-Finale 2009 wartete mit derselben Affiche auf, wobei nur knapp 16.000 Zuschauerinnen den deutschen 6:2-Sieg im Stadion verfolgten.
Ein Weg nach oben mit Lücke
Nicht nur unter den Fans ist das Interesse am Frauenfussball fast schon sprunghaft angestiegen, sondern auch in Bezug auf die aktiven Spielerinnen. Melanie Zürcher weiss dies auch vom SC Cham zu berichten. Sie hat im Verein die Leitung der Abteilung Frauenfussball inne und sagt, die Zahl der Spielerinnen bei den Ennetseern steige tendenziell. «Wobei es auch immer vom Jahrgang abhängig ist. So waren die Jahrgänge 2005 und 2006 auf der Mädchenseite sehr schwach besetzt. Viel besser sieht es bei den Jahrgängen 2009 und 2010 aus, die aktuell bei den D-Junioren spielen», ergänzt sie.
Von der F- bis zur C-Juniorenstufe spielen die Mädchen jeweils bei den Jungs mit, insgesamt sind es aktuell 28 Mädchen. Nach den C-Junioren folgte in der Vergangenheit jeweils eine Lücke, da der SC Cham einzig ein Frauenteam stellte, das aktuell in der 3. Liga spielt. Das Resultat waren zahlreiche Teenager-Mädchen, die den Verein anschliessend verliessen. Manche schlossen sich umliegenden Klubs an, andere hingen die Fussballschuhe an den Nagel.
Vorbereitung auf eine härtere Gangart
Das Problem, den Mädchen keinen linearen Weg in die eigene Frauenmannschaft bieten zu können, wollte der SC Cham schliesslich angehen und gründete auf die aktuelle Spielzeit hin eine FF-19-Mannschaft. Dabei spielen Juniorinnen mit Jahrgängen zwischen 2004 und 2008 für das Team und sollen so auf den aktiven Frauenfussball vorbereitet werden, insgesamt 22 Akteurinnen zählt das Kader.
«Dieser Zwischenschritt ist für die Mädels auf jeden Fall nötig, gerade auch, um sich auf die viel körperlichere Spielweise in den Frauenteams vorzubereiten», sagt Zürcher. Das Ziel sei, dass das Kader konstant 20 bis 25 Spielerinnen zählt, wobei gerade in diesem Alter mit Fluktuationen zu rechnen ist. So beenden nicht wenige Spielerinnen aus Zeitgründen ihre Karriere vorzeitig, wenn sie in die Lehre kommen oder die Interessen verschieben sich weg vom Fussball.
Die grosse Zukunft kann warten
Dass der Frauenfussball im SC Cham in der Vergangenheit nicht den höchsten Stellenwert genoss und nun entsprechende Aufbauarbeit geleistet werden muss, zeigte sich nun bei der Zusammenstellung der FF-19-Equipe. So mussten die meisten Spielerinnen von auswärts sowie Fussball-Neulinge verpflichtet werden. Ausserdem werde es eine Herausforderung werden, diese Mannschaft so zu halten, sagt Melanie Zürcher, «und es wird mindestens noch zwei Jahre dauern, bis sich alles eingespielt hat, damit wir die heutigen D-Juniorinnen hochziehen können und irgendwann FF-19-Akteurinnen fix in die Aktiv-Mannschaft integrieren können».
Diese existiert seit der Saison 2012/13, auf die Beine gestellt von Gilbert Eyer. Sie besteht aktuell aus 18 Spielerinnen, wobei aufgrund von Verletzungen und Sprachaufenthalten nur deren 13 einsatzfähig sind. Auch Melanie Zürcher ist als Spielerin Teil der Mannschaft. Sie sagt: «Auf die Rückrunde hin benötigen wir Verstärkung.» Aktuell zieht man immer wieder Spielerinnen aus der FF-19 hoch, um mit einem genügend grossen Kader an den Spielen aufwarten zu können. Die Zusammenarbeit mit der FF-19 funktioniere sehr gut. «Wir können zur Verstärkung auf die besten Spielerinnen von dort zurückgreifen, ohne dass sich deren Trainer Markus Portmann dagegen wehren würde. Obwohl wir ja ‹nur› in der 3. Liga spielen.» Dies sei keineswegs selbstverständlich.
Momentan rangiert das Frauenteam in der 10er-Liga auf Rang 6 – wo man bereits in der vergangenen Saison landete. Melanie Zürcher betont, dass ein Platz im oberen Mittelfeld angestrebt wird, längerfristig möchte man sich nach oben orientieren. Vor einigen Jahren absolvierte man bereits eine Spielzeit in der 2. Liga, nachdem andere Teams den Aufstieg ablehnten. Die Mannschaft blieb jedoch chancenlos und Zürcher ist überzeugt, dass dies mit dem aktuellen Kader genauso wäre. «Erst bräuchten wir Verstärkung von eigenen Juniorinnen und erfahrenen Spielerinnen von anderen Vereinen. Sollte sich beim Nachwuchs alles in eine gute Richtung entwickeln, könnte der Aufstieg zum Ziel werden, aber aktuell ist dies noch weit weg», resümiert sie.
Talente sind bereits da
Ein wichtiger Schritt ist bereits getätigt, indem man das Standing im Verein verbessert hat. Dass man seit vergangenem Frühling Teil der erweiterten Geschäftsführung ist und entsprechend an den Sitzungen eigene Inputs einbringen kann, stuft Zürcher als enorm wertvoll ein. Sie spielt steht acht Jahren in Diensten des SC Cham und blickt optimistisch in die Zukunft, was ihre Abteilung anbelangt. So spielen gleich drei Spielerinnen im Ca mit, was die Attraktivität zusätzlich erhöhe.
Ausserdem besteht die Möglichkeit einer Doppellizenz, sodass Akteurinnen für den SC Cham und beispielsweise Luzern spielen können. Sollten sie lieber mit Mädchen in der FF-19 spielen wollen, bieten die Rot-Blauen ihnen an, zusätzlich einmal wöchentlich mit den Jungs mitzutrainieren. Starke FF-19-Spielerinnen werden zudem rasch ins Frauenteam integriert.
An Vorbildern mangelt es nicht
Wer weiss, vielleicht wird schon bald wieder eine Spielerin «made in Cham» auf die grosse nationale Fussballbühne treten, wie dies in der Vergangenheit schon mehrfach der Fall war. So gewannen die Ex-Chamerinnen Selina Zumbühl und Sandra Betschart später mehrere Meister- und Cuptitel und liefen für die Schweizer Nationalmannschaft auf; Betschart war ausserdem in der Bundesliga aktiv.
Jüngstes Beispiel ist Lia Kamber. Das 16-jährige Riesentalent läuft für den FC Luzern bereits in der Women’s Super League auf und spielt für die U17-Nati. Parallel dazu besucht sie das Ausbildungszentrum in Biel. Melanie Zürcher bezeichnet Kamber als «unglaublich talentiert». Solche Spielerinnen seien sehr begehrt und würden immer wieder von anderen Vereinen angefragt. «Gerade auch in der Region haben wir mit Baar und Luzern starke Konkurrenz, wobei die Spielerinnen nach dem Wechsel in eine höhere Liga nicht selten verheizt werden und so die Lust am Fussball verlieren.» Doch der Ruf der Vereine sei oftmals zu verlockend, um widerstehen zu können.