672 Freunde sollt ihr sein

Stickersammeln zur Fussball-Europameisterschaft

Fussballliebende Sammelfans müssen sich in diesem Jahr umstellen. Das neue Stickerheft zur Europameisterschaft in Deutschland kommt nicht mehr aus dem Hause Panini und wartet mit einigen Änderungen auf, die den Tauschmarkt beeinflussen.

Jasir Asani, Nika Kvekveskiri oder Jan Mlakar – wer mit diesen Namen aus dem Profifussball vertraut ist, der ist entweder Scout in der heimischen Super League oder aber leidenschaftlicher Stickersammler. Mit der anstehenden Fussball-Europameisterschaft in Deutschland zieht es die Fans nicht nur vor den Fernseher, sondern auch wieder zum Kiosk. Bereits seit Anfang April wird geklebt, gesammelt und getauscht.

Seit 1970 lieferte das italienische Unternehmen Panini die Sticker und Hefte zu den grossen Turnieren der FIFA und der UEFA. Eingefleischte Anhängerinnen mussten sich in diesem Jahr allerdings umstellen, denn der ewige Kampf um Namenslizenzen und Spielerbilder führte dazu, dass das offizielle Stickerheft zur Euro 2024 von der US-amerikanischen Firma Topps produziert wurde. Dafür sicherte man sich auch gleich die Dienste von Trainerlegende José Mourinho («The Special One») als Werbefigur, der sich neben dem offiziellen EM-Maskottchen Albärt sogar in Stickerform im Heft befindet.

Mutter mit drei Kinder am Standtisch im Einkaufszentrum mit Sticker in den Händen

Ein ganzer Stickerberg wird am besten von einem Gummiband zusammengehalten. Bild: Facebook Emmen Center

Mit der Erweiterung der Teilnehmer im Jahr 2016 wurde auch das einst eher dünne Euro-Heft aufgebläht. So finden sich in diesem Jahr nicht nur die 24 teilnehmenden Nationalmannschaften im Album, sondern auch noch die zwölf Teams, die sich für die Playoffs qualifiziert haben. Tatsächlich beim Turnier dabei sind davon nur Polen, die Ukraine und Georgien, getauscht werden aber auch die Fussballzwerge aus Estland, Luxemburg und Israel. So kommt man in diesem Jahr auf stolze 707 Sticker. Neben den aktuellen Profis finden sich auch die Wappen der Fussballverbände, die deutschen Stadien und die ein oder andere Legende im Album wieder.

Die Schweiz sieht rot

Die Hochzeit der Sammelalben sind die Wochen und Monate vor dem Turnier. Hier werden die Gruppen gelernt, Kader beäugt und auf dem Turnierbaum der Weg der Schweizer Nati vorgerechnet. Die Schweiz genoss bisher bei Panini eine Sonderrolle: ein spezielles Heft und eigene Sticker, die sich von jenen des grossen Kantons unterschieden. Bei der letzten Europameisterschaft 2021 waren die Bildli hierzulande in einem stilvollen Silber anstelle des Hellblautons vom offiziellen Logo gehalten. Ein Zugeständnis an die historische Sammelleidenschaft von Klein und Gross hierzulande – oder eben ein gekonnter Übersteiger, um den Import aus dem EU-Ausland zu verhindern. Topps setzt diese Tradition bewusst fort. Das Resultat ist ein rotes Album und Sticker mit einem roten Rand.

In einem Päckli befinden sich in diesem Jahr sechs Sticker anstatt der üblichen fünf. Dabei ist der erste jeweils ein Glitzersticker, welcher einen besonderen Spieler oder ein Verbandslogo darstellt. Topps hat bei jeder Nation den Kapitän, einen Künstler, ein Nachwuchstalent und einen Starspieler in den Fokus gerückt. Bei der Schweizer Nati wurden dafür Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Fabian Rieder und Noah Okafor ausgewählt. Glitzersticker ist bei Topps jedoch nicht gleich Glitzersticker. Ein Starspieler in Gold mit der Unterschrift des Akteurs ist der seltenste Sticker im Sortiment, während die Künstler auch in Lila statt in Silber funkeln können. Erfahrene SammlerInnen müssen sich hier gut überlegen, ob sie erst abwarten oder im Zweifel einen anderen Glitzersticker überkleben.

Doppelseite Stickeralbum Schweiz

Während Murat Yakin vorerst gleich 38 Akteure nominierte, musste man sich bei Topps schon frühzeitig für 20 Spieler entschieden. Bild: sma

Die Jagd nach den über 700 Klebern kann schnell auf das Portemonnaie drücken. Im Preiskampf überbietet sich auch der Einzelhandel, um den offiziellen Preis von 1.30 Franken pro Päckli zu senken. Am meisten «spart» man wie immer, wenn man gleich eine 100er-Box beim günstigsten Anbieter kauft.

Bellingham verzweifelt gesucht

Wer seine Schulzeit schon hinter sich hat und immer noch gerne klebt, dürfte das Problem haben, dass es im Erwachsenenalltag deutlich weniger begeisterte Tauschpartnerinnen gibt. Vor allem Bibliotheken laden noch bis Mitte Juni wöchentlich zu Tauschbörsen ein. Hier ist ein Wechsel zwischen Olivier Giroud und Harry Kane deutlich wahrscheinlicher als in der Realität. Der grösste Transfermarkt der Zentralschweiz findet im Emmen Center statt. Im Einkaufszentrum an der A2 wird noch bis zum 22. Juni zweimal wöchentlich getauscht. Im Gepäck haben viele Sammler nicht nur ihre zahlreichen doppelten und dreifachen Sticker, sondern auch oftmals eine Liste des eigenen Bestands – ob handschriftlich oder ausgedruckt. Gesucht werden dann etwa «HUN PTW» oder «GER TOP 2», denn Spieler wie Milos Kerkez und İlkay Gündoğan sind gleich auf zwei verschiedenen Stickern abgebildet.

Sticker und handgeschriebene Listen auf schwarzer Tischdecke

Strichlisten führen und die Übersicht behalten an der Tauschbörse. Bild: Facebook Emmen Center

Natürlich gibt es auch längst entsprechende Apps und Datenbanken, mit deren Hilfe man die eigene Sammlung als Übersicht stets dabei hat. Auch für den Tausch haben sich im Internet längst Seiten wie Bildertausch.ch etabliert. Dort fehlt zwar die persönliche Note des Sammelns, dafür bekommt man jede Menge Statistiken und hat eine höhere Chance, ein bestimmtes Bildli zu bekommen. Die meistgesuchten Sticker auf der Onlineplattform sind aktuell Jude Bellingham (England), Romelu Lukaku (Belgien) und Stanislav Lobotka (Slowakei) – alles Starspieler ihrer jeweiligen Länder und eben nicht in jedem Päckli dabei.

Legenden statt Weltfussballer

Wer nach erfolgreichem Sammeln und Tauschen tatsächlich den finalen Sticker in seinem Album platziert hat, darf sich über ein kurzes Glücksgefühl freuen. Das Fachwissen um die 672 Kicker im Heft ist aber nicht nur wegen der späten Kadernominierung nicht die perfekte Vorbereitung für die Euro 2024, die am 15. Juni auch für die Schweizer Nati startet. Als offizielles Heft des UEFA-Turniers hat man zwar gewisse Lizenzen, muss aber auch mit Verbänden und Spielern verhandeln. Daraus resultiert, dass etwa die Topnationen wie England und Frankreich nicht im neuen Heimtrikot abgebildet werden, sondern lediglich mit den Köpfen der Spieler. Stars wie Kylian Mbappé oder Toni Kroos fehlen gleich ganz und wurden durch Fussballlegenden ersetzt. Der ein oder andere mag sich vielleicht über Zinédine Zidane freuen, so ganz ins Bild passt es aber nicht. Zumal den «Euro Legends» rund um Fernando Torres und Pavel Nedvěd bereits eine eigene Seite gewidmet ist.

Handgezeichnete Fussballer auf Sticker aus Tschutti Tüte

Ruben Vargas brilliert auch als Sticker. Bild: Facebook Tschutti Heftli

Um das Lizenzwirrwarr abzurunden, brachte Panini Mitte Mai zumindest in Deutschland auch noch ein eigenes Heft mit Nationalspielern aus fünf Nationen heraus. Hier treffen Mbappé und Kroos auf Beckenbauer und Klose. Und wer es etwas kunstvoller mag, dem sei auch in diesem Jahr das Schweizer Tschutti Heftli (siehe Box) ans Herz gelegt. Die Nachfrage nach den Sammelobjekten ist gerade bei der jüngeren Generation noch vorhanden, wenn man sich das breite Angebot der Sammelkarten und -sticker ansieht. Den Rekord von 2006, als Panini zur Weltmeisterschaft 800 Millionen Aufkleber verkaufte, wird man aber wohl aufgrund der breiteren Angebotspalette nicht mehr erreichen. Für die Hardcore-Fans der Stickerfirma aus Modena gibt es auch noch gute Nachrichten, für die nächsten Turniere der FIFA ist Panini wieder der offizielle Klebeausrüster.

 

Tschutti Heftli

Seit 2008 verbindet der gleichnamige Luzerner Verein Fussball und Kunst miteinander im Tschutti Heftli. Die Fussballprofis werden darin von verschiedenen Kunstschaffenden als zeitgenössische Porträt-Illustration dargestellt. Jede Mannschaft ist dabei in einem anderen Stil gestaltet, von Zeichnungen über Knetfiguren bis hin zur Blumenvase. Nachdem der Verein zur fragwürdigen Weltmeisterschaft in Katar eine Pause einlegte, ist das Heft zur Europameisterschaft seit Mai online und bei den Partnerverkaufsstellen erhältlich.

Einen Kommentar hinterlassen